Kanzlerduell ist nur alle vier Jahre
Nick Zimmermann und Mike Krüger von Studio Berlin über turbulente Zeiten, die IT-isierung des Geschäfts und Unternehmensgenesung
Kanzlerduell, Bundestagswahl – Sie haben ereignisreiche letzte Monate hinter sich? Sind Sie zufrieden mit dem Jahr 2017?
Zimmermann: Wir hatten ein sehr positives, arbeitsreiches Jahr, in einem schwierigen Marktumfeld.
Krüger: Das Kanzlerduell, die Bundestagswahl und die zahlreichen politischen Talkshows bringen automatisch eine höhere Auslastung. Unsere Kapazitäten sind dann besonders gefragt. Aber das Kanzlerduell ist nur alle vier Jahre.
Sie sprechen von konstant hoher Auslastung. Was bedeutet das?
Krüger: Dass die 2017 realisierten Produktionen erfolgreich waren und somit fortgesetzt werden. „The Voice of Germany“ läuft aktuell mit 20 Prozent Marktanteil. Es hat eine hohe Strahlkraft, wenn die Moderatoren auftreten und mit „live aus Berlin“ die Zuschauer begrüßen. „The Voice of Germany“, „The Voice Kids“, „Klein gegen Groß“, „Der Quiz-Champion“ und natürlich „Mario Barth“ sorgen für eine konstante Auslastung der großen Studios. Bei den politischen Talkshows senden wir „Anne Will“ durchgängig mit 33 Folgen pro Jahr. „Hart aber fair“ und „Maischberger“ werden wechselseitig in Köln oder Berlin produziert.
Auf welche neuen Formate freuen Sie sich besonders im Jahr 2018?
Krüger: Wir sind ein klassischer Studiobetrieb und Entertainmentstandort. Studioproduktionen für Fernsehunterhaltung sind immer eine große Herausforderung, besonders „The Voice of Germany“, weil der Fokus viel stärker auf der Musik liegt als bei anderen Produktionen. Auch neu und spannend ist das E-Gaming, wie die „League of Legends“.
Dann ist Gaming ein Markt für Studio Berlin?
Krüger: Definitiv. Das gesamte Thema Gaming ist unglaublich interessant. Die ProSiebenSat.1-Gruppe sowie Sport 1 strahlen wöchentlich ein eigenes E-Gaming-Magazin aus, in der Berliner Mercedes Benz Arena gab es ein „League of Legends“-Finale mit 18.000 Leuten. In Asien werden damit Fußballstadien gefüllt. Momentan sind das für uns Einzelevents, für die wir unsere Leistungen und Infrastruktur zur Verfügung stellen. Die Sender sind auf der Suche nach weiteren Geschäftsmodellen. Es gibt viele Technologien, mit denen wir derzeit experimentieren, von 3D bis Virtual Reality und UHD. In all diesen Bereichen entwickeln wir uns weiter.
Wie steht es um den Filmstandort Adlershof?
Zimmermann: Filmprojekte gern, wenn es passt. Wir werben aber nicht aktiv darum. Wir sind zuallererst technischer Dienstleister. Es geht es um Produktionstiefe, also Vermietung von Studioflächen, Einsatz von Technik und Personal, Büroflächen und Lichtpakete. Darauf setzen wir unseren Fokus.
Die Medienbranche befindet sich in gewaltigen Veränderungsprozessen. Wie begegnet Studio Berlin diesen Herausforderungen?
Krüger: Überkapazitäten sind ein Thema für alle Studiobetreiber. In den letzten Jahren verschwanden Studios vom Markt und Studioflächen wurden reduziert, weil viel weniger im Studio produziert wird als noch vor Jahren. Produktionen wie der „Bambi“ oder der „Echo“, die „on location“ produziert werden, benötigen kein Studio. Es ist nicht nur ein Studio-, sondern auch ein Wettbewerb der Locationanbieter. Umso bedeutender ist es für uns, neueste Technologien und moderne Infrastruktur anzubieten.
Verstärken neue Technologien, neue Medien den Konkurrenzdruck?
Krüger: Sicher. Man kann inzwischen mit dem Smartphone drehen, also Inhalte sehr preiswert herstellen. Fernsehsender bekommen durch neue Vertriebswege (wie YouTube) Konkurrenz. Der Markt war noch nie so demokratisch. Unsere Stärken liegen aber in der professionellen Herstellung von Inhalten.
Zimmermann: Das zeigt sich z.B. auch beim Thema „Sendesicherheit“. Im Livebetrieb ist es zwingend notwendig, einen zweiten und dritten Übertragungsweg – sogenannte Redundanzen vorzuhalten –, um Sendestörungen auszuschließen. Das wird in der 1:1-Betrachtung gern vergessen.
Studio Berlin ist Teil der Studio Hamburg Gruppe. Diese hat schwierige Zeiten hinter sich. Wie hat Studio Berlin die Turbulenzen erlebt?
Krüger: Wir waren direkt betroffen, standen wirtschaftlich im Fokus. Der Standort bzw. Teile von Studio Berlin sollten veräußert werden. Natürlich war das eine harte Zeit. Aber die Diskussion führte zur Erkenntnis, sich wieder auf Kernkompetenzen zu konzentrieren, und hat das Unternehmen gesunden lassen. Die neue Hamburger Geschäftsführung hat an das Potenzial von Studio Berlin geglaubt und beschlossen, nicht aufzuspalten. Wir genießen wieder das volle Vertrauen unserer Hamburger Mutter. Das zeigt sich auch darin, dass wir in diesem Genesungsprozess wieder investieren.
Warum war Berlin in den Verkaufsfokus geraten?
Zimmermann: Während der Finanzkrise war der Verkaufsprozess von der vorherigen Geschäftsführung angeschoben worden. Der Markt im Bereich Fernsehproduktionen brach stark ein. Werbebudgets schrumpften, Sender produzierten weniger. Wir hatten eine sehr schlechte Auslastung in Adlershof. Erschwerend dazu kam der Umzug von Sat.1 vom Berliner Standort nach München hinzu.
Ihre Webseite benennt IT-Solutions als eigenen Geschäftsbereich? Was heißt das konkret?
Krüger: Früher wurden die Programmaufzeichnungen per Band oder Kassette an die Postproduktion übergeben, heute löst man das file-basiert. IT ist daher für uns ein wichtiges Geschäftsfeld, um Produktionen stärker miteinander zu verknüpfen, denn die Verzahnung von Broadcast- und der IT-Technik wird immer wichtiger. Dafür braucht man Spezialisten. In Zukunft wird alles von IT beherrscht sein.
Sie investieren viel in neue Technik. Wie sieht für Sie die Zukunft des Fernsehens aus?
Krüger: Der Investitionsdruck ist unglaublich hoch. 4K, UHD und HDR sind die aktuellen Themen. Investitionszyklen werden immer kürzer. Durch die unterschiedlichen Standards muss man genau überlegen, in welche Richtung man sich entwickelt. Es gibt keine Verlässlichkeit mehr, dass eine Investitionsentscheidung die richtige ist. Letztendlich entscheidet der Markt. Nur durch Glaubwürdigkeit, Qualität, Verlässlichkeit, Kontinuität und Professionalität kann man sich eine Marktposition erarbeiten.
4K (K = 1.000) oder UHD (Ultra High Definition)
bezeichnen beide ein digitales Videoformat mit einer Bildauflösung von 4.096 x 2.160 Bildpunkten (Pixeln). Wenn es um Filmqualität geht, sind UHD beziehungsweise 4K derzeit das Nonplusultra.
HDR – High Dynamic Range
HDR-Bild, „Bild mit hohem Dynamikumfang“ oder Hochkontrastbild ist eine Rastergrafik, die große Helligkeitsunterschiede detailreich wiedergibt.
Das Interview führte Rico Bigelmann für Adlershof Journal