KI beim Handel und Transport von Rohstoffen
Das Softwareunternehmen Calypso Commodities entwickelt Optimierungslösungen für die Logistik
Die Welt ist im Wandel. Fossile Rohstoffe werden Stück für Stück ersetzt. Doch das geht nicht über Nacht. Bis regenerativer Wasserstoff die Grundstoffindustrie grün werden lässt und innovative Speicherkonzepte den Strom aus Sonne und Wind grundlastfähig machen, müssen Öl und Gas die Lücke füllen. Das junge Softwareunternehmen Calypso Commodities setzt sich dafür ein, dass zumindest ihr Transport nachhaltiger wird.
„Wir entwickeln KI-basierte Optimierungslösungen für das Rohstofftrading und die Rohstofflogistik“, sagt Michael Schach, einer der Gründer von Calypso. „Rohstoffe werden heute an verschiedenen Handelsplätzen durch Kontrakte gehandelt“, fährt er fort. „Das sind Verträge, eine festgelegte Menge zu einem festen Termin an einen bestimmten Ort zu liefern.“ Diese Kontrakte werden lange vor der eigentlichen Lieferung aufgesetzt und wechseln danach viele Male die Besitzenden. Der erwartete Wert der Ware ändert sich durch die Preisindexierung an dynamische Trading-Hubs dabei täglich. „Unsere KI-Lösung kombiniert Methoden der Portfoliooptimierung aus dem Finanzsektor mit Methoden der Optimierungsrechnung aus dem Flotten- und Logistikbereich und verschafft unserer Kundschaft damit einen quantitativen Wettbewerbsvorteil im Handel“, erklärt der Wirtschaftsingenieur.
Steht die Lieferung an, müssen die Transporte geplant werden. Dafür setzen große Energiekonzerne in der Regel auf eigene Tankerflotten. Und die sollten möglichst effizient eingesetzt werden. Dafür ist im Vorfeld einiges zu beachten: Welches Schiff passt in welchen Hafen? Wie ist die Sicherheitslage vor dem Suezkanal? Gibt es Warteschlangen vor dem Panamakanal? Wie ist der Wasserstand dort? „All diese sehr physischen, logistischen Faktoren müssen in einer Lösung vereinigt werden – zusätzlich ändert sich die globale Optimalität aber täglich durch schwankende Preise an den Handels-Hubs“, erklärt Schach. „Trotz der extrem großen Kombinationsmöglichkeiten im Lösungsraum muss sich die Rechenzeit in Grenzen halten.“ Deshalb setzt die Firma auf Algorithmen aus dem Bereich der künstlichen Intelligenz. Doch der Flottenplan ist nur der Anfang. Er schafft den Rahmen, wenn draußen auf den sieben Meeren auch wirklich alles glatt läuft. Das ist aber nicht der Normalfall. „Tobt irgendwo ein Sturm, muss ein Schiff zum Beispiel langsamer fahren“, erklärt er. „Vielleicht muss ein anderes Schiff deswegen umgeleitet werden, um den Vertrag zu erfüllen.“ Solch unvorhergesehene Ereignisse hat die Lösung des Berliner Unternehmens auf dem Schirm.
Natürlich wurden Rohstoffhandel und Logistik auch schon früher optimiert. Das erlebte Schach gleich nach dem Studium hautnah und erkannte das Problem: „Um den Rohstoffhandel und die Logistik dahinter zu optimieren, gab es nur unternehmensinterne Lösungen“, erzählt er. „Die reichten von Excel-Tabellen bis zu speziell entwickelter Software.“ Von einer umfassenden, marktgerechten, kauf- oder mietbaren Lösung war weit und breit nichts zu sehen. Das wollte er ändern und die Idee für Calypso Commodities war geboren. Im April 2021 wurde das Unternehmen in Würzburg aus der Taufe gehoben. Nur wenige Monate später ging es dann in das Charlottenburger Innovations-Centrum CHIC. „Berlin hat einfach die besten Fördermöglichkeiten für junge Unternehmen“, sagt er. „Das CHIC ist für uns sehr attraktiv. Es liegt zentral und hat die mit Abstand günstigsten Büromieten.“
Für den Anfang konzentriert sich das Team auf Flüssigerdgas (LNG), denn da ist der Transport durch die konstante Kühlung auf -162 °C so aufwendig, dass jeder eingesparte Tag zählt. Nicht nur in Euro oder Dollar. „Unsere Kund:innen haben jetzt auch die CO₂-Kosten im Blick“, sagt Schach. „Immer öfter optimieren sie die Rohstofftransporte nicht mehr auf den maximalen Gewinn, sondern auf die größte Nachhaltigkeit – unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten.“ Es werden kürzere Streckenkombinationen gewählt oder die Schiffe fahren langsamer, um weniger CO₂ auszustoßen.
Der nächste logische Schritt wäre, regenerativ erzeugten Wasserstoff zu transportieren. „Für uns ist das tatsächlich ein ideales Produkt“, erklärt der Gründer. „Denn der überregionale Transport von Wasserstoff – egal ob über die Konversion zu Ammoniak oder als verflüssigter Wasserstoff – wird durch die Kühlung der Tanks ebenso sehr kostenintensiv sein.“ An einer Lösung hat Calypso Commodities bereits gearbeitet. „Allerdings gibt es noch keinen wirklichen Markt für regenerativen Wasserstoff“, sagt er. „Sobald dieser etabliert ist, stehen wir bereit. Bis dahin wollen wir helfen, den Fußabdruck im konventionellen Rohstoffhandel zu verringern.“
Kai Dürfeld für Potenzial