Körnerfutter für die Energiewende
Neue Siliziumkristallzüchtungsverfahren für Solarzellen
Energiesparend hergestellte Silizium-Krümel können durch ein spezielles Kristallzuchtverfahren zu effizienten Solarzellen werden. Das Leibniz-Institut für Kristallzüchtung (IKZ) in Adlershof ist führend auf diesem Gebiet.
Wie können die deutschen Solarhersteller wieder Boden gewinnen gegenüber der billigen Konkurrenz aus Asien? Wie können die erneuerbaren Energien so effizient gemacht werden, dass die Energiewende gelingt? Experten sehen die Antwort auf beide Fragen in der Kombination vieler einzelner, hochtechnologischer Erfindungen. Die Wissenschaftler des Leibniz-Instituts für Kristallzüchtung spielen dabei eine wichtige Rolle.
Rein & energieeffizient Silizium herstellen
Es geht hier um die Frage, wie möglichst energieeffizient besonders reine Einkristalle aus Silizium hergestellt werden können. Aus denen fertigt die Photovoltaikindustrie dann Solarzellen und die Elektronikindustrie Schaltkreise. Das Problem dabei: Der Ausgangsstoff Siliziumdioxid ist zwar als Quarz oder Sand allgegenwärtig. Doch um aus ihm hochreines Silizium zu gewinnen, ist ein aufwendiges Verfahren nötig. An dessen Ende wird das noch verunreinigte Silizium mit Chlorwasserstoff umgesetzt, es bildet sich die Flüssigkeit Trichlorsilan, die sehr rein destilliert werden kann. Um aus Trichlorsilan nun reines Silizium zu gewinnen, sind Temperaturen von über 1.000 Grad nötig. Bringt man in das Trichlorsilan-Gas einen elektrisch aufgeheizten dünnen „Docht“ aus Silizium ein, scheidet sich an ihm hochreines Silizium aus dem umgebenden Gas ab – und der Docht wächst langsam zum armdicken polykristallinen Siliziumstab heran.
„Solch einen Stab können Sie wunderbar für das berührungslose Zonenschmelzen verwenden, quasi die Königsklasse der Kristallzüchtung“, sagt Helge Riemann vom IKZ. Dabei werden mithilfe eines hochfrequenten Magnetfeldes Wirbelströme am unteren Ende eines Siliziumstabes induziert, die ihn dort schmelzen lassen. Den anhängenden Schmelztropfen bringen die Kristallzüchter nun mit einem bleistiftgroßen monokristallinen Wachstumskeim in Kontakt. Dann lassen sie den Stab und Keim langsam nach unten wandern. Dabei kühlen sich die Schmelzzone ab und am Keim beginnt mit der vorgegebenen Ausrichtung der Einkristall zu wachsen. „Die hohen Reinheiten, die wir mit diesem Verfahren erzielen, würden zu Solarzellen mit höheren Wirkungsgraden führen“, sagt Riemann. „Doch vor allem wegen der großen Herstellungskosten des Rohstabes wird dieses zonengeschmolzene FZ- (engl. Floating Zone) Silizium für die Photovoltaik kaum eingesetzt.“
Krümel statt Stab
Benutzt man alternativ zur Abscheidung des Siliziums aus dem Trichlorsilan-Gas keinen „Docht“, sondern kleine aufgeheizte Krümel aus Silizium, ist das Verfahren wesentlich effektiver. Die vielen Krümel bieten insgesamt eine wesentlich höhere Oberfläche, um Silizium anzulagern. „Dieses ‚Wirbelschicht-Granulat‘ wird also viel schneller abgeschieden und man spart mehr als zwei Drittel der Energie ein“, erklärt Riemann. Das Verfahren könnte damit auch für die Herstellung von Solarzellen interessant sein. Jedoch: Krümel sind eben kein Stab – das klassische Zonenschmelzverfahren funktioniert mit ihnen nicht. Und würden nicht etwaige Gefäße zur Aufnahme der Krümel diese verunreinigen?
Zusammen mit der Firma Siltronic in Burghausen haben die Forscher des IKZ ein neues Verfahren mit einem „Teller“ aus reinem Silizium entwickelt, der die Silizium-Krümel aufnimmt. Er wird von einem ersten Hochfrequenzinduktor so erwärmt, dass die eingestreuten Krümel aufschmelzen. Die Schmelze fließt dann durch ein kleines Loch im Teller nach unten. Dort erwartet sie das Feld einer zweiten Spule, die dann – so wie beim normalen Zonenschmelzen – für die Kristallisation sorgt. Der aus der Schmelze wachsende hochreine Einkristall wird auch hier kontinuierlich nach unten bewegt und kühlt dabei ab.
„Der Wirkungsgrad einer Silizium-Solarzelle aus solchem FZ-Silizium ließe sich kostengünstig von 22 auf 25 Prozent steigern, das ist in der Photovoltaik recht viel“, sagt Riemann. Momentan ist das Verfahren in der Erprobung.
Kristallzüchtung auf Augenhöhe mit der Industrie
Auch andere Hersteller von Solarzellen oder Silizium-Wafern greifen gern auf das Know-how aus Adlershof zurück, denn das IKZ ist ein einzigartiges unabhängiges Forschungsinstitut, das Kristallzüchtung auf Augenhöhe mit der Industrie betreibt. So lässt seit 2010 auch die norwegisch/ US-amerikanische Firma REC Solar Grade Silicon ihr Silizium-Granulat in Adlershof auf seine Zuchteigenschaften hin testen.
Von Wolfgang Richter für Adlershof Journal