Ladies first!
Erfolgreiche Hightech-Unternehmerinnen im Chefsessel
Frauen in führenden Positionen sind in Wirtschaft und Wissenschaft nach wie vor Mangelware. Auch in Adlershof. Doch es gibt Ausnahmen, wie einige Beispiele zeigen – und zur Nachahmung animieren.
Warum es immer noch so wenige Frauen in Führungspositionen gibt, weiß Ricarda Kafka auch nicht. Die Geschäftsführerin der TRIOPTICS Berlin GmbH weiß aber: „Das Thema ist leider immer noch eines, über das man(n) reden muss.“ Zwar nicht unbedingt bei TRIOPTICS, wo Frauen in verantwortlicher Position anzutreffen sind, doch unter dem Strich dominieren auch hier Männer, berichtet Kafka. Warum? Ihre Vermutung: „Einerseits könnte das mit der technologischen Ausrichtung meines Berufsfeldes zusammenhängen“, sagt sie. „Andererseits ist es fast immer noch die Frau, die den größeren Teil der Kindererziehung übernimmt und auch mal länger zu Hause bleibt.“ Da Familien heute viel später gegründet werden, fallen die Erziehungszeiten oft in einen der Karriere eher abträglichen Zeitraum.
Gerade die Frage der Familiengründung hielt Karola Lehmann direkt nach dem Studium davon ab, das Angebot, eine Firma zu übernehmen, anzunehmen. „Männer machen sich möglicherweise weniger Gedanken darüber, wie sie Familie und Beruf unter einen Hut bekommen können“, vermutet die Geschäftsführerin der Proteome Factory AG. Als sie mit 45 Jahren erneut die Gelegenheit bekam, ein Unternehmen zu leiten, nämlich die Proteome Factory, sah die Welt schon anders aus. Dennoch hat die heute 48-Jährige auf ihrer Position fast schon Seltenheitswert.
Dass Frauen in Führungspositionen hierzulande noch keine Selbstverständlichkeit sind, spürt Ute Franke, Ingenieurin und Mitgeschäftsführerin der 5micron GmbH, fast täglich: „Aktuell mache ich die Erfahrung, dass sich auf unsere offenen Stellen zum System Developer und Softwareentwickler bislang nur männliche Kandidaten beworben haben, was ich bedaure.“ Gerade im Technologiebereich seien Ingenieurinnen immer noch unterrepräsentiert: „Das Verhältnis von etwa 10:1 ist mir bereits in meinem Studium aufgefallen.“
Doch damit landen sie noch lange nicht in Führungspositionen. Die Adlershofer Unternehmerinnen haben kein Patentrezept parat, mit dem Hürden in männerdominierten Umfeldern zu überwinden sind – es sei denn: Einfach machen! „Ich hatte praktisch immer mit männerlastigen Teams zu tun“, berichtet Kafka, „das fing bei der Abiturklasse an, setzte sich im (Physik-)Studium fort und war auch in allen beruflichen Teams nicht viel anders.“ Hat sie dabei etwas anders gemacht als andere? „Schwer zu sagen“, meint sie nur und denkt nach. Vielleicht waren schlicht ihr Organisationstalent und „eine gewisse Neigung zur (An-)Leitung“ hilfreich. „Ich bin jemand, der mit seiner Meinung nie hinterm Berg hielt. Was sicher nicht immer gut ankam, aber dadurch wurde ich Geschäftsführerin und bin das nun schon 15 Jahre.“
Begünstigend bei Karola Lehman kam hinzu, dass sie als Biotechnologin in keiner männerdominierten Branche unterwegs ist. Ansonsten sagt sie: „Kompetenz ist entscheidend.“ Aber eben nicht immer, wie sie in einer Bewerbungsphase um höhere Positionen erfahren musste: „Zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr steht immer unausgesprochen die Frage nach einer Schwangerschaft im Raum.“
Ute Franke hatte als Angestellte stets den Eindruck, dass es „ein vorgegebenes Ende meiner persönlichen Weiterentwicklung in der von männlichen Chefs dominierten Umgebung gab“. Ihre Konsequenz: „Um meine Vorstellungen besser umzusetzen und mich weiterzuentwickeln, war deshalb der für mich logische Schritt Veränderung – und ich habe mich für die Selbstständigkeit entschieden.“ Das auch, weil es ihr Spaß macht, selbst etwas zu bewegen. „Ich bin sehr neugierig und habe wenig Scheu vor Neuem“, lacht sie. „Ich vertraue meinen eigenen Fähigkeiten, meinen Kollegen und vor allem meinem Geschäftspartner, Jean Blondeau!“
Adlershofer Unternehmerinnen tragen auch selbst dazu bei, dass sich an der unbefriedigenden Situation etwas ändert. Franke etwa berichtet in MINT-Workshops Schülern gern von ihrem Arbeitsalltag: der Entwicklung hochpräziser Messsysteme, die unter anderem für Kunden in der Luftfahrt wie Airbus oder Rolls Royce entwickelt und hergestellt werden. „Das trifft in der Regel auf großes Interesse – und zwar bei Mädchen und Jungen gleichermaßen“, sagt Franke.
Werden es Frauen im Job künftig leichter haben? „Bereits jetzt findet eine Angleichung von Frauen und Männern im Job statt, was die Betreuung der Kinder, Elternzeit etc. einerseits, aber auch die Expertise und Fähigkeiten der Frauen andererseits angeht“, blickt Franke optimistisch in die Zukunft. Eine Trendwende registriert zwar auch Kafka, sie differenziert aber: „Die gesamte Atmosphäre in Adlershof und die inzwischen sehr gute Infrastruktur machen es Frauen sicher etwas einfacher, Verantwortung zu übernehmen als in ländlichen Gegenden, wo noch das traditionelle Frauenbild vorherrscht“, sagt sie. „Insgesamt scheint sich das ja zu ändern, hin zu mehr geschlechterübergreifenden Ansätzen. Aber Gleichstand werde ich sicher nicht mehr erleben.”
Von Chris Löwer für Adlershof Journal
www.proteome-factory.com
www.trioptics-berlin.com
www.5micron.de