Langer Weg bis zum Start
Raumfahrtkörper fit für den Flug in den Orbit machen
Die Firma Space Structures berechnet, wie stabil Satelliten gebaut sein müssen, um die Reise ins All zu meistern. Sie ist auch an den entsprechenden Tests beteiligt.
Es ist eine Tortur: Heftige Temperaturwechsel zwischen minus 150 und plus 100 Grad Celsius, infernalischer Lärm und starke Vibrationen, die bis das Sechsfache der Erdbeschleunigung erreichen. Solchen Bedingungen müssen Satelliten während des Starts an Bord von Raketen und im Weltraum standhalten. Um sicherzugehen, dass sie das schaffen, werden sie entsprechend berechnet und bereits auf der Erde hart geprüft. An solchen Berechnungen und Tests sind Benjamin Braun und Florian Ruess beteiligt, die Geschäftsführer der Space Structures GmbH.
Von Bremen nach Berlin
Die beiden Ingenieure haben die Firma 2011 in Bremen gegründet, erzählt Braun. Inzwischen ist der Hauptstandort für vier feste und weitere freie Mitarbeiter in Adlershof. „Hier gibt es noch einige andere Firmen in der Raumfahrt und wir sind schnell am Flughafen, was bei Kunden in ganz Europa ein wichtiges Kriterium ist“, nennt er die Gründe für den Berlin-Beschluss. Nicht zuletzt spielten auch private Gründe eine Rolle sowie der Fakt, dass die Stadt attraktiv für potenzielle Kollegen ist. „Wir wollen wachsen“, sagt Braun.
Zur Raumfahrt sind Braun und Ruess während ihres Bauingenieurstudiums in Stuttgart gekommen. Dort haben sie unter anderem an einem Forschungsprojekt zum Thema „Wie baue ich eine Mondstation?“ mitgearbeitet. „Das war wirklich spannend, aber eine langfristige Jobperspektive sahen wir dann doch eher in der unbemannten Raumfahrt“, sagt er schmunzelnd.
Satellitenplattform SmallGEO soll 2014 abheben
Auch dort sind höchste Präzision und Know-how gefragt. So ist Space Structures beispielsweise an der Entwicklung von „SmallGEO“ beteiligt. Das ist eine bis zu 3,5 Tonnen schwere europäische Satellitenplattform für Telekommunikation, die mit verschiedenen Geräten bestückt werden kann und 2014 erstmals abheben soll. Die Ingenieure haben zunächst für das Grundgerüst – eine wabenartige Struktur, die mit Aluminium- beziehungsweise Kohlefaserverbundwerkstoffen verkleidet ist – berechnet, welche mechanische Belastung diese aushält. „Da gibt es ganz verschiedene“, sagt Florian Ruess. „Statische und dynamische Belastungen während der Startphase und extreme Temperaturen im Orbit bestimmen das Strukturdesign von Raumfahrzeugen.“ Um das exakt zu berechnen, sind aufwendige Modellierungen mit der Finite-Elemente-Methode erforderlich, die von der Firma für ihre Kunden, darunter die OHB-System AG in Bremen, übernommen werden.
Mechanische Qualifizierungstests
Ebenso bietet die Space Structures die Definition und Betreuung von mechanischen Qualifizierungstests. Diese sind nötig, bevor ein Satellit wirklich ins All reisen darf. Für SmallGEO nutzen die Forscher unter anderem die „Weltraumkammer“ im niederländischen Nordwijk sowie im bayerischen Ottobrunn. Neben Vakuum und extremen Temperaturen werden die Bauteile oder ganze Satelliten auch Vibrationen ausgesetzt, wie sie beim Start zu erwarten sind. Hinzu kommen noch die Schallwellen des Raketenmotors. „Selbst oben in der Spitze, wo die Nutzlast befestigt ist, hinter den Verkleidungen, sind es noch über 130 Dezibel“, sagt Ruess. Das ist vergleichbar mit dem Lärm eines Düsenjets. Diese Bedingungen können in einer speziellen Akustikkammer simuliert werden, um SmallGEO fit für den Flug in den Orbit zu machen.
Vielleicht ergibt sich ja auch irgendwann einmal für die Entwickler die Gelegenheit, ins All zu reisen. Sie würden die Chance sofort nutzen, sagen Braun und Ruess. „Die Astronauten, die dort oben waren, erzählen immer von dem fantastischen Blick auf die Erde. Den würden wir auch gern einmal erleben.“
Von Ralf Nestler für Adlershof Journal
Link: www.spacestructures.de