Lehrerbildung, die Schule macht
Wenn der Physiker Lutz-Helmut Schön in sein Büro in der Newtonstraße in Adlershof tritt, wird er jeden Morgen von Albert Einstein begrüßt. Zwischen unzähligen Büchern steht eine handgeformte Büste des großen Nobelpreisträgers auf seinem Regal – eine Büste, die seine Tochter in der Schule erstellt hat. Ein kleines, aber sinnfälliges Detail: Denn als Fachdidaktiker der Humboldt-Universität beschäftigt sich Schön täglich mit der Frage, wie Kindern und Jugendlichen die oftmals ungeliebte Naturwissenschaft in der Schule näher gebracht werden kann.
Die Suche nach neuen Unterrichts-Konzepten hat Schön und seinen Kolleginnen und Kollegen von der Humboldt-Universität unlängst einen großen Erfolg in einem Lehr-Wettbewerb eingebracht. 750.000 Euro bekommen sie als einer von vier Siegern in einem Wettbewerb der Telekom-Stiftung, mit dem die Lehrerbildung in den „MINT“-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) verbessert werden soll. Die Auszeichnung erhalten die HU-Fachdidaktiker für ihre Idee, ein „ProMINT-Kolleg“ in Adlershof einrichten zu wollen. Die Universität will darin gemeinsam mit Lehrern neue Unterrichtsformen entwickeln. „Das ganze Adlershofer Umfeld wird dabei helfen“, sagt Schön: Auch Firmen und Forschungsinstitute sind in die Pläne einbezogen.
Eine Initiative, die beispielhaft für die Ausbildungsbemühungen auf dem Campus Adlershof steht. In den sechs Instituten der HU sind 6.700 Studierende eingeschrieben. 1.200 Auszubildende lernen in den Betrieben des Standortes. Auch die Öffentlichkeit taucht oft in die Tiefen der Forschung ein: Bei der „Langen Nacht der Wissenschaften“ etwa, die jedes Jahr tausende nach Adlershof lockt.
Dass es aber gerade bei der Weiterbildung für Lehrer noch immer hapert und dass die Universitäten die Lehramtsausbildung oft stiefmütterlich behandeln, wird seit langem beklagt. „Für Lehrer ist es sehr schwer, sich fachlich und fachdidaktisch fortzubilden“, sagt auch Schön. Das neue Kolleg soll das jetzt ändern. Lehrer aus allen Schulformen werden nach Adlershof kommen und auf Physiker, Chemiker, Biologen, Mathematiker, Informatiker und Erziehungswissenschaftler treffen. Auch Lehramts-Studierende aus dem Master-Bereich nehmen an dem Austausch teil. „Viele Lehrer finden es sehr belebend, wenn junge Kollegen dabei sind“, sagt Schön. Zwanzig bis dreißig Mitglieder wird das Kolleg haben. Räume werden im Johann von Neumann-Haus der HU-Mathematiker hergerichtet.
Das Kolleg soll vor allem fach- und schulstufenübergreifende Lernmodule erarbeiten. Die HU-Naturwissenschaftler denken an Unterrichtsreihen zum Thema „Fliegen“ oder „Temperatur des Menschen“, die Mathematiker an „Mathematik in der Umwelt“. Großen Bedarf haben Schulen auch an Einheiten zu moderner Technik. Wie funktioniert ein Handy? Was passiert am CERN? – so lauten Fragen, die immer wieder an die Universität herangetragen werden. Die in Adlershof beteiligten Lehrer sollen die Unterrichtskonzepte den Kollegen an ihren Schulen vermitteln.
Die Fachdidaktiker wollen zudem den Praxisbezug für Lehramtsstudierende weiter verbessern. Künftig sollen die Studierenden im Bachelor-Bereich ein dreiwöchiges Praktikum in einem der Adlershofer Betriebe oder Forschungseinrichtungen absolvieren. Viele Lehrer würden in ihrem Leben nichts anderes als Schule und Hochschule besuchen, sagt Schön – in seinen Augen ein gravierender Mangel an Realitätsbezug. Um den Kontakt zwischen den Adlershofer Firmen und den Fachdidaktikern zu intensivieren, wurde mithilfe der Wilhelm und Else Heraeus-Stiftung eine Seniorprofessur eingerichtet, die der Physiker Ingolf Hertel übernimmt, der langjährige Direktor des Max-Born-Instituts.
Dass Naturwissenschaften Schülerinnen und Schülern Spaß machen können, beweisen die HU-Physiker seit langem. Jedes Jahr holen sie unzählige Klassen in ihr „UniLab“. Fünftklässler erfahren hier, wie sich der Schall ausbreitet, Gymnasiasten erkunden das „Wärmekraftwerk Mensch“. Mit dem ProMINT-Kolleg werden diese Aktivitäten deutlich erweitert – damit der Nachwuchs künftig in den Schulen noch mehr für die Naturwissenschaften begeistert wird.
Autor: Tilmann Warnecke