Management by Humor
Israelische Kreativität und deutsche Gründlichkeit – Assi Rutzki sucht die Synthese
Gemütlich soll es sein. Im spröden Betonambiente des Zentrums für Mikrosysteme und Materialien nicht anders als im heimischen Wohnzimmer. Sonst kommen die Leute noch auf die Idee, dass sie hier arbeiten müssen statt dürfen. Das Plüschsofa in der Teeküche ist so gesehen mehr als ein Möbel. Es steht für Assi Rutzkis Unternehmensphilosophie: „Weil man nur einmal lebt, soll man das Leben nicht allzu ernst nehmen.“ Zumal im Arbeitsalltag: „Kein Stress, kein Druck – eines der Mittel ist Humor.“
Biografische Kapriolen
Wie sollte auch einer mit tierischem Ernst geschlagen sein, in dessen Leben es von biografischen Kapriolen nur so wimmelt? Aufgewachsen in einem 700-Seelen- Kibbuz nahe Tel Aviv und verheiratet mit einer Deutschen aus tiefgläubig katholischem Elternhaus. Offizier im israelischen Militär, mittlerweile Geschäftsführer einer kleinen Elektonikfirma in Adlershof. Nachfahre polnischer Juden, der bei einem Besuch in Bialystok feststellt, dass auf dem früheren jüdischen Friedhof der einzige noch aufrecht stehende Grabstein seinem Ur- Ur-Großvater gehörte: „Irre witzig“ fand Rutzki auch das.
Begeisterung für alles Deutsche
Nicht anders seine frühe Begeisterung für alles Deutsche: „Ich war als Kind der einzige Fan der deutschen Fußballnationalmannschaft.“ Im Kibbuz Ramat Hakovesh vermutlich eine erklärungsbedürftige Vorliebe. Für Rutzki erklärt sie sich unter anderem aus Begegnungen mit jungen Deutschen, die von Organisationen wie der „Aktion Sühnezeichen“ nach Israel geschickt wurden: „Hoch intelligent, total offen, gut erzogen, fleißig.“ Unter ihnen seine heutige Frau, die nach dem Schulabschluss in Paderborn ein Jahr im Kibbuz verbrachte: „Ihr fehlte das Geld, um nach Indien zu gehen.“ Dafür fand sie ihn.
Fachmann für Speichertechnologie
Mit 24 verließ Rutzki 1997 die Armee und zog sofort nach Deutschland. Überprüfte im Dienst der israelischen Botschaft zunächst am Flughafen Düsseldorf, später Berlin Israelreisende auf ihre Unbedenklichkeit. Studierte sieben Semester Betriebswirtschaft an der Berliner Hochschule für Technik und Wirtschaft und leitet heute eine Firma, die für Hersteller elektrischer Geräte die jeweils passenden Akkus entwickelt. Auch so eine biografische Kapriole: „Ich komme gar nicht aus der Technik. Ich habe als Kind nie herumexperimentiert.“
„Visionäre gibt’s in Deutschland wenige.“
Heute ist er Fachmann für Speichertechnologie. Jeder kann alles, zumindest das meiste, ist sein Credo. Er hält das für typisch israelisch: Immer eine Lösung finden, auch wenn sie zunächst aussehe „wie der letzte Schrott“. Wohl deshalb, meint Rutzki, kämen zu ihm Kunden, die schon die ganze Konkurrenz abgeklappert und nirgendwo Hilfe gefunden hätten: „Visionäre gibt’s in Deutschland wenige.“
Und Humor? Ach, die Bürokratie, die Gründlichkeit, das Gestrüpp aus Vorschriften und gebührenpflichtigen Paragrafen: „Am Ende des Tages sind Sie sehr, sehr traurig.“ Rutzki lässt dennoch Nachsicht walten: „Deutsche lachen nicht nur im Keller – nur, man muss sie ein bisschen dazu bringen.“
Von Winfried Dolderer für Adlershof Journal