Minilabor sorgt für Spannung
Die Physikerin Saskia Fischer untersucht neue Materialien mit neuen Methoden
Sie wäre – zusammen mit ihren Forschungspartnern – Kandidatin für das Guinnessbuch der Rekorde. Schließlich hat vorher noch niemand ein so kleines und komplexes Labor gebaut, mit dem sich bei Nanodrähten Wärme- und Stromleitfähigkeit wie auch die Thermospannung messen lassen. Seit gut eineinhalb Jahren ist Fischer Professorin an der HU Berlin, Lehrgebiet Neue Materialien. Die Definition sei einfach, sagt die 40-jährige Forscherin und blickt in den begrünten Innenhof des modernen Physikgebäudes in Adlershof. Jede neue Verbindung, jeder neue Stoff gehöre dazu.
Neue Eigenschaften durch Materialkombinationen
Fischer macht es Spaß, Materialien so zu kombinieren, dass neue Eigenschaften entstehen. „Es ist ein spannendes Gebiet“, sagt die Physikerin, die sich bei der Promotion am Stuttgarter Max-Planck-Institut für Metallforschung mit dem magnetischen Verhalten von Festkörpern beschäftigt hat. Auch jetzt arbeitet sie mit Festkörpern, allerdings im Nanoformat. Bei Abmessungen von millionstel Millimetern ändern sich auch die elektrischen Eigenschaften. Im Nanobereich gelten die Gesetze der klassischen Physik nicht mehr uneingeschränkt, Quanteneffekte werden wichtig.
Trickreiche Anordnungen sind nötig, um das Quantenverhalten zu untersuchen. Halbleitermaterialien werden geschichtet, dazu ist gezieltes atomares Wachstum nötig. Um die Elektronen zu lenken, werden Schikanen in die Leitungsbahnen eingebaut. „An der dünnsten Stelle“, sagt Fischer, „sind die Elektronen gezwungen, sich wie Wellen zu verhalten.“ Die Kunst ihres etwa 15-köpfigen Adlershofer Teams zeigt sich nun darin, die Eigenschaften von Nanomaterialien zu messen.
Quanteninterferenzen von Elektronenwellen beobachtet
Die Forscherin zieht eine Plexiglasschachtel aus der Schublade. Darin liegen goldglänzende Teile, geformt wie abgeflachte Kaffeebohnen. Im Innern sind Nanomaterialien verschlossen ebenso wie die Bausteine des Chips, mit dem elektrische Eigenschaften wie Spannung und Stromstärke gemessen werden. Nach und nach werde die Komplexität der Schaltung für ein Experiment erhöht, erzählt Fischer. Quantenpunkte, -drähte oder -ringe werden integriert. „In unserem Experiment schaffen wir es, Quanteninterferenzen von Elektronenwellen zu beobachten“, sagt die HU-Physikerin. Derartige Untersuchungen von Quanteneigenschaften können auch für die Industrie interessant sein, denn in Handys oder Computern finden sich schon Abmessungen im Nanobereich, erklärt Fischer, die sich jedoch als Grundlagenforscherin sieht.
Abwärme in Strom verwandeln
Nützliche Anwendung verspricht andererseits die Idee, Temperaturdifferenzen zur Erzeugung von elektrischer Spannung zu nutzen und so Abwärme in Strom zu verwandeln. So könnten neue Materialien im Nanoformat dazu dienen, Ressourcen zu sparen und die Umwelt zu schonen. Doch bei der Suche gilt es, Methoden zu finden, mit denen sich eine Erhöhung des thermoelektrischen Effekts im Millionstel-Millimeter-Maßstab zuverlässig messen lässt. Bei der Installation eines Minilabors für diesen Zweck sind die Adlershofer Physiker weltweit vorn. Dabei kooperieren sie mit Forschern aus Freiburg und Hamburg. Die atomare Struktur der Nanodrähte enthüllen Elektronenmikroskope. So kann man den Wachstumsprozess der winzigen Materialien beeinflussen, um die chemische Zusammensetzung und die Anordnung der Atome zu optimieren.
„Für solche komplexen Untersuchungen ist Adlershof ein idealer Standort”, sagt Fischer. Hier liegen Spitzenforschungseinrichtungen wie das Helmholtz-Zentrum Berlin mit seinem Elektronen-Synchrotron oder das Leibniz-Institut für Kristallzüchtung vor der Haustür. Insgesamt registriert die von der Ruhr-Uni Bochum abgeworbene Physikerin in Berlin eine riesige und anregende Forschungslandschaft.
von Paul Janositz
Link: www.physik.hu-berlin.de/gnm/AG