Mit dem Rollstuhl in die Vorlesung
Studieren mit Handicap an der Berliner Humboldt-Universität
Studieren mit Handicap ist heute keine Seltenheit mehr, aber auch hürdenbehaftet. An der Berliner Humboldt-Universität (HU) gibt es viel Unterstützung für Studenten mit Einschränkungen im Studienalltag. Ein barrierefrei gebauter Campus wie der in Adlershof macht jungen Menschen wie Nassim Dadkhah ihr Studium möglich.
Sie lacht aus herzlichen, sympathischen braunen Augen. Ihre Fröhlichkeit und ihr Optimismus stecken sofort an. Nassim Dadkhah studiert Psychologie an der Berliner Humboldt-Universität im zweiten Mastersemester. Das ist nicht selbstverständlich. Die in Münster Geborene leidet seit ihrem zweiten Lebensjahr an einer Tetraparese. Sie sitzt im Rollstuhl, kann ihre Arme und Beine kaum bewegen. Das Psychologiestudium hat sie besonders interessiert, erzählt sie: „Ich bin ein kreativer Mensch und kann viele Probleme lösen, auch was mein eigenes Leben betrifft. Eine gute Voraussetzung, um anderen Menschen zu helfen, finde ich.“
Vor Beginn ihres Studiums kamen Nassim Dadkhah und ihre Mutter zu einem Gespräch mit Jochen O. Ley in die Studierendenberatung der HU. Er ist Beauftragter für chronisch kranke und behinderte Studenten und leitet das Referat Studienberatung. Er betreut etwa 300 Studierende mit Handicap. Insgesamt gibt es an der HU etwa 1.500 Studenten mit chronischen Krankheiten oder Behinderungen. Auf dem Campus Adlershof, so schätzt Ley, studieren etwa 300–400 Studenten mit einer Einschränkung, sei es Diabetes oder eine psychische Erkrankung. Sie erhalten zum Beispiel Unterstützung beim Zugang zum Studium und können einen Härtefallantrag stellen: Fünf Prozent der Studienplätze eines Studiengangs werden in einer Vorabquote vergeben. Außerdem gibt es einen sogenannten Nachteilsausgleich, der konkret Schreibhilfen, Schreibzeitverlängerungen bei Prüfungen oder Anwesenheit einer Vertrauensperson bedeuten kann. Jochen O. Ley berät Studieninteressierte und Studierende in diesen Fragen, kümmert sich insgesamt um den Prozess der Inklusion an der Uni, prüft und verbessert die Begehbarkeit von Gebäuden und berät außerdem Geflüchtete, die an der HU studieren.
Im vergangenen Wintersemester waren rund 100 Geflüchtete an der HU als Gasthörer eingetragen. Sie können sich Studienleistungen bescheinigen lassen und sie für spätere Bewerbungen nutzen. Ab dem Sommersemester gibt es auch Mentorenprogramme mit dem Ziel, das akademische Leben in Deutschland vorzustellen, Kontakte zu knüpfen und einen Einblick in das deutsche Bildungssystem zu geben.
Jochen O. Ley, der im Hauptgebäude der HU am Campus Mitte sein Büro hat, kommt regelmäßig zur Sprechstunde nach Adlershof. Er kommt gern: „Es ist so familiär, man kennt sich gegenseitig und alles liegt nah beieinander. Es ist, sagen wir, smoother.“
Für die Studentin Nassim Dadkhah hat der Standort einen ganz entscheidenden Vorteil: Es ist der modernste HU-Campus und er ist barrierefrei. Rampen, Automatiktüren, Fahrstühle. Deshalb war auch schnell klar, dass der Studienwunsch Psychologie an der HU zumindest in dieser Hinsicht möglich sein würde. „Ja“, bestätigt die Studentin lachend, „da habe ich hier wirklich keine Probleme. Viel weniger als an der Schule. Es ist alles da, was ich benötige, funktionell, modern, gemütlich. Und ich brauche keinen Schnickschnack.“
Die Herausforderungen in ihrem Studium? „Ich muss viel zusätzlich organisieren, zum Beispiel den Fahrdienst.“ Dies wird nicht über die Uni geregelt. Von der HU bekommt Studentin Dadkhah aber eine finanzielle Unterstützung, Studienassistenz genannt, und den Nachteilsausgleich. Ganz konkret finden ihre Prüfungen in einem separaten Raum statt und sie erhält Schreibzeitverlängerung. Nassim Dadkhah ist ehrgeizig und nimmt die Herausforderungen an: „Es macht mir großen Spaß und ich bin froh, dass ich hier studieren kann. Das ist nicht in jedem Land selbstverständlich.“
Von Jördis Götz für Adlershof Journal
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