Mit der Macht der Gefühle
Das Adlershofer Start-up emolyzr misst die emotionale Wirkung von Produkten, Designs und Kommunikationsmitteln
Als der blondgelockte Junge im Werbefilm über seinen Vater sagt, „Fußball spielen kann er leider gar nicht“, steigt die Kurve des Emotionsbarometers am unteren Bildrand steil an. Im Film ist zu sehen, wie der Papa einen von dem Kleinen unbeholfen gekickten Ball ins Tor durchlässt. Über dem Gesicht des lachenden Kindes liegt ein in tiefem Pink eingefärbter Bereich – ein Zeichen für die positiven Gefühle, die bei den Betrachtern gemessen wurden.
Am Beispiel dieses Kurzfilms eines Kosmetikherstellers führt die Firma Emolyzr auf ihrer Website ihre Analysemethode vor. „Unser Kerngeschäft ist das Messen von Emotionen“, sagt Geschäftsführer André Weinreich. Der Psychologe, der an der Humboldt-Universität zu Berlin den Einfluss von Gefühlen auf Urteils- und Entscheidungsvermögen erforscht, hat sich 2013 mit zwei Mitstreitern selbstständig gemacht. Die Büroräume der jungen Firma liegen in unmittelbarer Nähe des Instituts für Psychologie in der Rudower Chaussee in Adlershof.
Weinreich und seine Kollegen haben ein besonderes Instrumentarium entwickelt, um Gefühle messbar zu machen. Ein EyeTracker zeichnet auf, wohin das Auge beim Betrachten eines Bildes, eines Films oder einer Website schaut und wo der Blick womöglich länger verharrt. Die Testpersonen werden aufwendig verkabelt: Im Gesicht angebrachte Elektroden und Biosensoren zeichnen äußerlich nicht sichtbare emotionale Regungen auf; Fühler an den Fingern messen die Hautfeuchte und geben Aufschluss über die Gehirntätigkeit. Wie beim Werbefilm über Vater und Sohn kann der Gefühlswandel der Betrachter sekundengenau aufgezeichnet werden.
Mit dem Emotionsbarometer verkabelt
„Mit unserer Methode können wir Emotionen erfassen, die sich durch eine Befragung nicht ermitteln lassen“, erläutert Weinreich, denn ein großer Teil emotionaler Reaktionen spielen sich außerhalb der eigenen Wahrnehmung ab und haben dennoch entscheidenden Einfluss. Die Kunden der jungen Firma kommen vor allem aus der Kommunikationsbranche. Aber nicht nur Werbe- und Designagenturen, sondern auch Versicherungen sind dabei. „Die Emotion spielt eine sehr große Rolle bei der Entscheidung, ob mir ein Produkt gefällt oder ob ich eine Website wiederbesuchen würde“, sagt Weinreich. Emolyzr hilft seinen Kunden herauszufinden, wie sie bei ihren Zielgruppen möglichst positive Reaktionen erzeugen. Mindestens 20 Testpersonen werden dann mit dem Emotionsbarometer verkabelt und schauen sich das Produkt, zum Beispiel einen Filmclip oder eine Werbeanzeige an. Der Abgleich aller Gefühlsmessungen zeigt dann, was funktioniert und was nicht. Schon ein an falscher Stelle eingeblendetes Logo kann den Emotionslevel von positivem Pink in negatives Blau rutschen lassen. „Da gibt es dann Änderungsbedarf“, sagt Weinreich.
Wie Kunden ticken
Nicht nur Messungen, auch Beratung gehört zu den Dienstleistungen von Emolyzr: „Wir versuchen mit unserem psychologischen Wissen herauszufinden, wie unsere Kunden ihre Kunden besser ansprechen können.“ Derzeit arbeiten er und seine Kollegen bereits an weiteren Einsatzmöglichkeiten ihrer Gefühlsmessungen: Sie sollen Menschen mit psychischen Problemen helfen zu erkennen, welche Einflüsse negative Reaktionen auslösen und ihnen eine bessere Kontrolle über ihre Gefühlswelt ermöglichen. Das Projekt läuft gerade an, doch Weinreich glaubt an den Erfolg: „Emotionen sind auch erlernte Reaktionen, die sich wieder abgewöhnen lassen.“
Von Claudia Wessling für Adlershof Journal