Mit Herz für Forschung und Familie
Adlershofer Forschungsverbund macht familiengerechte Personalpolitik
Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie wird im Forschungsverbund Berlin (FVB) und seinen Instituten sehr ernst genommen. Das Max-Born-Institut soll im August das Zertifikat „Beruf und Familie“ erhalten. Ein Vater und eine Mutter sprechen über ihre Familie und ihren Beruf – und wie beides zusammenpasst.
Sie sind Wissenschaftler am Max-Born-Institut für Nichtlineare Optik und Kurzzeitspektroskopie (MBI) und Eltern: Andrea Lübke und Faruk Krecinic. Er ist einer von 15 Vätern, die am FVB-Standort Adlershof in den letzten eineinhalb Jahren Elternzeit genommen haben. „Elternzeit zu beantragen war kein Problem“, freut sich der Doktorand. Seine Tochter Emina ist jetzt ein Jahr alt. Munter erkundet sie Glöckchen, Bücher und Rasseln im Elternzimmer des Instituts. Faruk Krecinic will drei Monate nur für sie da sein.
Die Physikerin Andrea Lübke ist Mutter von zwei größeren Kindern, eines ist gerade in die Schule gekommen. Sie ist seit 2008 am MBI, forscht aktuell zu Laser-Plasma-Wechselwirkungen. Lübke lebt für die Wissenschaft. Deshalb war für sie 2009, als das zweite Kind unterwegs war, auch klar: Elternzeit kommt nicht in Frage. Gemeinsam mit der Geschäftsführung und der Gleichstellungsbeauftragten wurde nach Möglichkeiten gesucht, beides zu vereinbaren.
Elternzimmer und individuelle Lösungen
„Eigentlich gab es hier immer individuelle Lösungen für die Familie“, erzählt Claudia Reschke, Gleichstellungsbeauftragte am MBI. So wie vor sechs Jahren für Andrea Lübke. Der ehemalige Sanitätsraum wurde zum Elternzimmer umfunktioniert. Neben Pritsche, Wickeltisch, Kinderspielzeug und Krabbeldecke zog auch ein Rechner mit ins Elternzimmer. „Wir haben darüber hinaus sehr familienfreundliche Kernarbeitszeiten von 10 bis 15 Uhr“, sagt Reschke.
Nun soll ein Zertifikat die familiengerechte Personalpolitik auch nach außen bescheinigen. Für das Audit der Hertie-Stiftung „Beruf und Familie“ wurden eine 23-seitige Zielvereinbarung in acht Handlungsfeldern definiert und zwei Workshops durchgeführt. Ziele sind, noch mehr über das Thema Familie zu sprechen, eine feste Sprechstunde bei der Geschäftsleitung zum Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie die Anforderung, Kolloquien mit Gästen möglichst in der Kernzeit und nicht am Abend stattfinden zu lassen.
Netzwerk „Erfolgsfaktor Familie“
Das Audit „Beruf und Familie“ oder ähnliche Zertifizierungen für Chancengleichheit von Frauen und Männern im Beruf wie etwa das TOTAL E-QUALITY Prädikat haben bereits andere Institute im FVB durchlaufen, auch sie haben familienfreundliche Arbeitszeiten und zum Teil Elternzimmer. Der FVB selbst ist im Frühjahr dem Netzwerk „Erfolgsfaktor Familie“ beigetreten. Das soll helfen, den Faktor Familie positiv in alle acht Institute zu integrieren. Es geht dabei auch um andere Bereiche der Familie wie zum Beispiel die Pflege von Angehörigen. Hier findet der FVB gemeinsam mit den Mitarbeitern praktikable Arbeitslösungen mit Augenmaß, die Entlastung schaffen. Neuerdings unterstützt eine Personalentwicklungs-Referentin im Forschungsverbund auch dessen Bestrebungen um bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie und steht als Ansprechpartnerin zur Verfügung.
Andrea Lübke arbeitete wenige Wochen nach der Geburt ihres Kindes wieder 30 Stunden am Institut, ihr Kind immer dabei. Während sie komplizierte Versuche auswertete, schlief das Kind friedlich im Tragetuch. Am MBI fühlt sich Lübke wohl, Beruf und Familie passen gut zusammen. Was die Vereinbarkeit von Wissenschaft und Familie angeht, hat sie allerdings ihre Zweifel: „Der größte Knackpunkt sind für mich die befristeten Projekte. Mir fehlt die Sicherheit, die man als Familie braucht.“
Ihr Kollege Faruk Krecinic wird die drei Monate, die er jetzt seiner Tochter Emina widmet, länger am Institut bleiben und seine Doktorarbeit zu Ultrakurzwellen fertig schreiben. Er hofft, dass er auch in Zukunft Familie, Beruf und Wissenschaft miteinander vereinbaren kann.
Von Jördis Götz für Adlershof Journal