Mit Labs, Radio & Co. für mehr jungen Forschungsdrang
So erreichen Forschungseinrichtungen MINT-Talente
Selbermachen. Staunen. Wissen wollen. Dieser Dreiklang soll Berlins Jugend für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik (MINT) begeistern. Dafür nutzen Adlershofer Forschungsinstitute unterschiedlichste Kanäle – vom Radio über Workshops für Schulklassen bis zur Langen Nacht der Wissenschaften.
Nicht nur für das Partyvolk ist Berlin eine Stadt der Möglichkeiten. Auch klugen Köpfen, die ihren wissenschaftlichen Horizont erweitern wollen, hat die Hauptstadt einiges zu bieten. So lädt ein Schülerlabor am Leibniz-Institut für Kristallzüchtung (IKZ) junge Menschen der Jahrgangsstufen neun bis dreizehn dazu ein, sich unter der Anleitung von Fachleuten einen experimentellen Zugang zur Kristallographie und zu deren wissenschaftlicher und wirtschaftlicher Relevanz zu verschaffen. Beliebt sind die Experimentiertage vor allem bei Physik- und Chemieleistungskursen.
Ein Besuch bei dem Institut, das bei der Zucht starrer Strukturen auf internationalem Topniveau agiert, ist nicht das einzige Angebot für wissbegierigen MINT-Nachwuchs in Adlershof. Unweit des IKZ in der Max-Born-Straße lädt das Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie (HZB) regelmäßig Schulklassen zu Projekttagen ein. Oder präziser: zum „Blick in die Materie“. Schon ab der 5. Klasse können sie hier in die Welt des Lichts und der Farben eintauchen, Spektroskope bauen, Licht zerlegen und mischen – und bei alledem verstehen, wie unsere Augen funktionieren. Auch Kurse rund um Solarenergie und Materialforschung stehen den Grundschulklassen offen. Sie können dabei den Dreiklang aus Selbermachen, Staunen und Wissenwollen erleben, in dem schon so manche Karriere im Forschungswesen ihren Anfang nahm. Der „Blick in die Materie“ steht natürlich auch den Älteren offen – für sie passt das HZB-Team das fachliche Niveau entsprechend an. Und auch für Lehrkräfte steht das Kursangebot zur Fortbildung offen.
Das HZB-Angebot auf dem Wilhelm-Conrad-Röntgen-Campus, der Schulklassen auch Einblicke in die Synchrotronstrahlungsquelle BESSY II ermöglicht, ist sehr gefragt. Pro Schule und Halbjahr sind normalerweise maximal zwei Termine buchbar. Daneben gibt es beliebte Formate für Familien und Kinder, etwa „Physik zum Frühstück“ und die regelmäßigen Teilnahmen an der Langen Nacht der Wissenschaften.
Doch wegen der Pandemie ging vorübergehend nichts mehr. „Wir haben nach Möglichkeiten gesucht, den Draht zum Nachwuchs dennoch aufrechtzuerhalten“, berichtet Jennifer Bierbaum aus der HZB-Stabsstelle Kommunikation. Die Lösung lag statt in Lichtwellen diesmal auf der Radiowelle. Gemeinsam mit dem Berliner Radio TEDDY entwickelte das HZB-Team den „Experimentierkasten“: eine zielgruppenspezifische Sendung für Kinder und deren Eltern, die zum Experimentieren daheim ermuntert. Was zunächst verwundert – viele naturwissenschaftliche Experimente leben ja von der Optik –, hat laut Bierbaum prima funktioniert. „Wir haben seit 2020 bereits vier gemeinsame Kampagnen mit dem Radio-TEDDY-Team durchgeführt“, erklärt sie. Neben den minutiös vorbereiteten Sendungen haben die Partner Videos aufgenommen und eine Webseite bespielt. Die Resonanz ist erstaunlich. Die Webseite registrierte pro Kampagne fast zehntausend Klicks und das Gros der Besuchenden blieb online, um sich per Video die Vorbereitung und Durchführung der Experimente erklären zu lassen. Laut Statistik des Radioteams kamen während der vier Kampagnen zehn Millionen Bruttokontakte zu Zuhörenden zustande – inklusive der gesendeten Teaser, Wiederholungen und der nicht spezifisch am Experimentierkasten Interessierten.
Die Experimente hat das HZB teils mit dem eigenen und teils mit anderen Helmholtz-Schülerlabors sowie Forscherinnen und Forschern inhouse entwickelt und sie mit dem Radioteam für die Sendungen und Webseiten aufbereitet. „Wichtig war uns, jeweils den Bezug zu unserer Forschung herzustellen“, berichtet Bierbaum. Mal ging es um Dünnschichten, mal um Vakuum oder um Lichtwellen. Alles Themen, die am HZB und speziell bei BESSY II eine wichtige Rolle spielen.
Ob der per Hörfunk und in den Schülerlabors geweckte Experimentiergeist dereinst in Form von wissenschaftlichem Nachwuchs zurück ans Helmholtz-Zentrum Berlin findet, ist natürlich offen. Aber zumindest ein Fall fällt Jennifer Bierbaum auf Anhieb ein: „Eine unserer derzeitigen Auszubildenden hat das HZB beim Girls Day kennengelernt.“ So wie es scheint, besteht auch beim MINT-Nachwuchs die Bereitschaft, Berlin als Stadt der Möglichkeiten wahrzunehmen.
Peter Trechow für Adlershof Journal