Mit Wissen wachsen
Start-ups Xploraytion und eGovCD vermarkten hochspezifisches Wissen im CHIC
Trotz völlig unterschiedlicher Gründungsideen eint die Berliner Start-ups Xploraytion und eGovCD mehr als ihre direkte Nachbarschaft in der sechsten Etage des Charlottenburger Innovationszentrums CHIC. Ihre Gründer sind angetreten, um hochspezifisches Wissen zu vermarkten – und haben damit Erfolg.
Aus einem großen Pappkarton in Bernhard Hesses Büro kriecht ein kleiner Tiger. Zumindest sagt er, dass er ein Tiger ist. Er ist der Sohn einer Mitarbeiterin. „Die Kita kann die Betreuung heute nicht gewährleisten“, erklärt der Geschäftsführer der jungen Berliner Xploraytion GmbH. Auch, weil ein Start-up solche Situationen auffangen kann, hat er gegründet. Er will selbstbestimmt arbeiten, den Rhythmus selbst bestimmen.
Hesse wertet gerade komplizierte Datenreihen von hochkomplexen Synchrotron-Experimenten aus, die sein Unternehmen im Auftrag von Kunden durchführt. „Wir verstehen uns als Intermediäre zwischen Großforschungseinrichtungen und Anwendern aus der Industrie und Forschung“, erklärt er. Viele potenzielle Anwender wüssten gar nicht, dass Röntgenuntersuchungen in einem Synchrotron für sie in Frage kommen. „Doch wenn wir es ihnen erklären, dann staunen sie oft, dass diese Röntgenstrahlungsquellen ihnen hochaufgelöste 3D-Analysen zu erstaunlich günstigen Kosten und in hoher Geschwindigkeit liefern“, berichtet er.
Der Gründer weiß es, weil er während Studium und Promotion lange in Grenoble lebte und dort an der European Synchrotron Radiation Facility (ESRF) forschte und arbeitete. Dabei hat er das spezifische Know-how erworben, das sein Anfang 2017 gegründetes Start-up nun bereits mit sechs Mitarbeitern vermarktet. Dort lernte er die Gründer eines Partnerunternehmens von Xploraytion kennen, mit denen sein Team im Tandem arbeitet. Sie legen Versuchsreihen in den Großforschungseinrichtungen zusammen und helfen sich bei sehr hoher Arbeitsbelastung gegenseitig aus. Hierzu kommt es mittlerweile häufiger, weil es sich in Industrie und Forschung herumspricht, dass über Xploraytion einfacher Zugang zu Synchrotronanlagen, zur Auswertung der Versuchsdaten und zu kompletten Gutachten und Forschungsberichten besteht: Analysen von Biomaterialien für Medizin und Biotechnologie, Materialanalysen für 3D-Druck oder auch für Gießereiprozesse. „Während der Datenauswertung ist es – wie heute – auch mal möglich, nebenher kleine Tiger zu bändigen“, sagt Hesse.
Einige Meter weiter im Flur der sechsten Etage im CHIC öffnet Stefanie Köhl die Tür. Die Geschäftsführerin der eGov Consulting and Development GmbH – einem Spin-off des Fraunhofer-Instituts für Offene Kommunikationssysteme FOKUS – bändigt keine Tiger, sondern hilft Dinosauriern auf die Sprünge. Genauer: eGovCD berät öffentliche Verwaltungen bei Digitalisierungsprojekten. „Dabei steht meist die Frage im Fokus, wie sich im Zuge der Digitalisierungsprojekte auch die Strukturen und die Verantwortlichkeiten optimieren lassen“, sagt sie.
Das nötige Fachwissen hat Köhl in ihrem Studium mit Vertiefung Verwaltungsmodernisierung erworben. Ihr hochspezifisches Know-how will sie – wie nebenan Xploraytion-Gründer Bernhard Hesse – realen Anwendern zugutekommen lassen. „Ich war es irgendwann leid, eine Studie und einen Fachaufsatz nach dem anderen zu verfassen, ohne damit tatsächlich etwas zu verändern“, berichtet sie.
Der Bedarf in öffentlichen Verwaltungen ist groß. Gerade kleinere Gemeinden hinken aufgrund fehlender Mittel und teils auch Kompetenzen bei der Digitalisierung hinterher. Doch ab 2022 verpflichtet sie das Onlinezugangsgesetz, ihre Verwaltungsleistungen über Verwaltungsportale auch digital anzubieten. „Das allein ist ein großes Geschäftsfeld. Daneben bieten wir kleinen und mittleren Unternehmen Unterstützung; sei es bei der Sicherheit von Cloud-Diensten oder der Umsetzung der EU-Datenschutz-Grundverordnung – DSGVO“, erklärt sie.
Auch eGovCD ist schon auf fünf Mitarbeiter gewachsen. Ein EU-gefördertes Forschungsprojekt sorgt für Einnahmen und frisches Know-how. Als junge Firmenlenker wissen Köhl und Hesse: Je mehr spezifisches Wissen sie sich erarbeiten, desto besser ihre Chancen im Markt. Denn eins ist klar: Ihre Unternehmen sind gekommen, um zu bleiben.
Von Peter Trechow für Potenzial – Das WISTA-Magazin