Neues Leben für alte Kleidung
Am Studio 16 entsteht ein CharityLab der Deutschen Kleiderstiftung
Wer vor Krieg, Vertreibung und Katastrophen fliehen muss, trägt oft kaum mehr am Leib als das letzte Hemd. In solchen und anderen Notsituationen hilft die Deutsche Kleiderstiftung – und das seit rund 70 Jahren. Mehr als 250 000 Kleidungsstücke hat sie 2023 allein an die Ukraine gespendet. Am 19. Juni eröffnete sie ihr neues CharityLab in Adlershof. Hier werden nicht nur Kleiderspenden sortiert und gelagert, sondern auch Kooperationen mit Studierenden, nachhaltigen Marken und Designer:innen angestoßen. Das Ziel: neues Leben für alte Stoffe – im Ausland wie hierzulande.
„Die Deutsche Kleiderstiftung wurde 1957 von einem Pastor in Westberlin gegründet. Sie begann ihre Arbeit als Verein und schickte zunächst Pakete in die ehemalige DDR“, erklärt der geschäftsführende Vorstand der Deutschen Kleiderstiftung Ulrich Müller. Der Fundraising- und Logistikexperte, der sich schon sein Leben lang gemeinnützig engagiert, steht der Stiftung seit 16 Jahren vor, erweiterte ihren Wirkungskreis in den letzten Jahren stetig. „Heute stellen wir europaweit Kleidung für Bedürftige zur Verfügung – zum Beispiel im Rahmen der Katastrophe in Idomeni in Griechenland oder in Albanien, wo der Bedarf sehr groß ist. Unser Schwerpunkt liegt dabei auf Osteuropa.“
Was konkret gebraucht wird, hängt von den Witterungsbedingungen und Notlagen vor Ort ab – und so sammelt die Stiftung unterschiedlichste Warengruppen. Von Regenjacken über Jogginghosen bis hin zu Turnschuhen. Eingeschickt wird die überwiegend gebrauchte, dabei aber qualitativ hochwertige Kleidung von Menschen aus ganz Deutschland. „Als einzige gemeinnützige Organisation bundesweit bieten wir dabei die versandkostenfreie Paketspende an. Das heißt, Leute packen zu Hause einen Karton und können uns den kostenlos zuschicken. Im Moment verarbeiten wir bis zu 100.000 solcher Pakete im Jahr“, freut sich Müller. Die Kleidung spendet die Stiftung ins Ausland oder verkauft sie in ihren Charity Shops, um Hilfsprojekte zu finanzieren. Hierbei bindet das Stiftungsteam auch regelmäßig Langzeitarbeitssuchende ein – zum Beispiel als Lagerist:innen.
Ausgepackt, nach Warengruppen sortiert und auf den rund 2.500 Quadratmetern Lagerfläche der Stiftung zwischengeparkt, werden die Kleiderspenden an verschiedenen Orten in Deutschland – seit Neustem auch im CharityLab in Adlershof. Dieses sei jedoch weit mehr als nur ein Ort der Logistik, betont Standortleiter Eike Müller. „Im Kontext des European Green Deal, mit dem Europa klimaneutral werden soll, denken wir im Lab in Richtung textile Kreislaufwirtschaft, gehen in den Austausch mit nachhaltigen Marken, Designern und Upcyclern.“ Im CharityLab Adlershof stehen so gut 100 Quadratmeter als Workshop- und Showroom zur Verfügung. Ein Reparaturservice für gebrauchte Kleidung ist in Planung, ebenso ein Materialpool für engagierte Recycler:innen. Im Lab soll Neues aus Textilien entstehen, die als Kleiderspende nicht zu gebrauchen sind.
Vertikale Gärten zum Beispiel. Studierende der Bekleidungstechnik stattete das Lab kürzlich mit Stoffresten für entsprechende Entwürfe aus. „Wolle und Denim können ein gewisses Maß an Feuchtigkeit speichern und Regenjackenstoffe halten die Vertikalbegrünung dicht“, erläutert Eike Müller. Das engagierte Ziel: Kreislaufwirtschaft humanitär. Ulrich Müller kommentiert: „Wir wollen bedürftigen Menschen mit Textilien helfen und Reststoffe sinnvoll verwerten. Das muss auch in der Gesetzgebung fest verankert werden. Ich wünsche mir, dass wir verantwortungsvoll und nachhaltig mit unserer Bekleidung umgehen – und dass das CharityLab hierzu einen Beitrag leisten kann.“
Nora Lessing für Adlershof Journal
Deutsche Kleiderstiftung: Kleiderspenden sammeln und fairteilen