Orte, an denen Wissen entsteht
Wirtschaftsgeografin Suntje Schmidt untersucht die Entwicklung von Kreativorten
Wie funktioniert all das, was uns umgibt? Woher kommen Innovationen und welche Bedingungen brauchen sie? Diese Fragen interessieren die Wirtschaftsgeografin Suntje Schmidt besonders. Seit kurzem ist sie Juniorprofessorin am Geographischen Institut der Humboldt-Universität zu Berlin und am Leibniz-Institut für Raumbezogene Sozialforschung (IRS).
Der Raum im Geographischen Institut sieht so gar nicht nach Geografie aus. Zwei Schreibtische, Garderobenschrank, Rechner, Pflanze. „Wie würde er denn nach Geografie aussehen?“, fragt die junge Professorin zurück. Karten? Bodenproben? Steine? In der Tat hat besonders Wirtschaftsgeografie nicht mehr so viel mit der Natur und dem Boden zu tun.
Professorin Suntje Schmidt beschäftigt sich damit, wie neues Wissen und Innovationen entstehen, wer daran beteiligt ist und woher die Ideen überhaupt kommen. Ihre aktuellen Forschungsprojekte drehen sich um Orte, an denen Wissen entsteht und kreative Tätigkeiten ermöglicht werden.
Lokale Anker translokaler Wissensgemeinschaften heißt eines der Forschungsprojekte am IRS. „Der Titel ist etwas sperrig“, lächelt Schmidt. „Wir beobachten, dass Ideen aus verschiedenen Ecken der Welt übers Internet zusammenfinden. Uns als Geografen interessiert, wie der Ort aussieht, wo sie zusammentreffen. Das erforschen wir am Beispiel von Hackerspaces oder Coworking-Spaces.“ Untersucht wird, wer die Plattformen und Räume gründet, warum er das tut und wer sie wie nutzt.
Ein anderes Projekt befasst sich mit „Open Creative Labs“. Das sind Orte, die oft wie Werkstätten aussehen, ausgerüstet mit CNC-Fräsen und 3D-Drucker. „Mich fasziniert die Vielfalt dieser Orte, in denen etwas Neues entsteht, oft durch Tüfteln und Ausprobieren und gegenseitige Unterstützung.“ Schmidt und ihre Kollegen am IRS erforschen, was der gesellschaftliche Mehrwert dieser Labs ist. Ihre Untersuchungen helfen, Prozesse besser zu verstehen, um sie zu unterstützen und Förderinstrumente gut einzusetzen.
Suntje Schmidt, die im mecklenburgischen Güstrow geboren wurde, studierte Geografie und Amerikanistik sowohl an der Technischen Universität Berlin als auch in New York und forschte seit 2002 am Institut für Raumbezogene Sozialforschung der Leibniz-Gemeinschaft in Erkner, Brandenburg. „Eigentlich wollte ich Meteorologie studieren, aber über die Städte, in denen ich gewohnt habe, kam ich zur Geografie.“ Schmidt wohnt in Berlin-Tempelhof, tanzt und fotografiert gern. Bei gutem Wind lässt die 41-Jährige auf dem Tempelhofer Feld einen Drachen steigen und genießt das Spiel mit dem Wind.
Seit September arbeitet sie nicht mehr nur in Erkner am IRS, sondern ist an einigen Tagen der Woche auch am Geographischen Institut in Adlershof. Suntje Schmidts neu geschaffene S-Juniorprofessur verbindet beide Forschungseinrichtungen. Die Wissenschaftlerin pendelt zwischen den Orten und hat das Ziel, Projekte und gemeinschaftliche Initiativen aufzubauen, die Brücken schlagen zwischen den Instituten. „Für mich sind das spannende neue Aufgaben und ich freue mich riesig darauf, weil ich viel Neues dazulernen werde“, sagt Schmidt. Die Strukturen an der Uni kennenzulernen sei ebenso eine Herausforderung, wie die ziemlich komplexen Forschungen in kleine Teile zu zerlegen, sodass es andere verstehen: „In der Lehre ist das Feedback ganz unmittelbar. Ich sehe direkt, ob ich verstanden werde oder nicht. Und es macht Spaß, die Studenten einzubeziehen.“
Der Wissenschaftsstandort Adlershof sei ein sehr gutes Beispiel für eine große Entwicklungsmaßnahme mit dem Ziel, Wissenschaft und Wirtschaft miteinander zu verknüpfen. Ein Ort, wo es Räume, Unterstützung und Know-how gibt für Neugründungen. „Als Wirtschaftsgeografin wünsche ich mir noch mehr Räume, in denen sich die einzelnen Institutionen besser begegnen können. Ich selbst gehe zum Beispiel sehr gern zur Langen Nacht der Wissenschaften“, erzählt Juniorprofessorin Suntje Schmidt. Und demnächst wird sie daran vielleicht selbst mitwirken.
Von Jördis Götz für Adlershof Journal