Packende Geschichten: Hightechumzüge per Luftkissen
Vom Erlenmeyerkolben über Elektronenstrahlmikroskope bis zu kompletten Instituten organisiert der Berliner Spediteur Haberling Hightechumzüge. Ein kniffliger Job, jedes Mal anders und jedes Mal neu. Oft steht viel auf dem Spiel. Etliche Fahrten des Spezialisten führen zu Instituten und Unternehmen in Adlershof.
Das Paket hatte es in sich. Es kam per Schwerlaster, wog 600 Kilogramm und musste glücklicherweise nur in den ersten Stock des Adlershofer Zentrums für Biotechnologie und Umwelt getragen werden. Nichts leichter als das? Weit gefehlt!
Transport sensiblen Sperrguts
Peter Semionyk, Technischer Koordinator des Fraunhofer-Instituts für Zuverlässigkeit und Mikrointegration (IZM), hatte schon auf die Lieferung aus der Schweiz gewartet und den Transport auf den letzten Metern akribisch vorbereitet. Der neue hoch präzise Bestückungsautomat, mit dem unter anderem Mikrokomponenten auf Leiterplatten positioniert werden, ersetzte ein zehn Jahre altes Gerät. Dieses wog 1,4 Tonnen. Weder der neue noch der alte Automat passten in den Aufzug mit seiner 84 Zentimeter breiten Tür und begrenzter Tragkraft.
Viele Schaulustige
Also wurden die Experten für Hightechumzüge von Haberling eingeschaltet. Und ein Glaser. Der baute zwei bodentiefe Fenster der Fassade aus, jedes 75 Kilogramm schwer, damit der fahrbare Kran des Spediteurs die beiden Geräte austauschen könnte. „Das war eine enorm aufwendige Angelegenheit“, sagt Semionyk. Das sahen auch die zahlreichen Schaulustigen, die an der Volmerstraße das neun Stunden dauernde Spektakel mitverfolgten.
„Alles lief wie geplant“, freut sich Semionyk. Der 34-Jährige hat Übung: Ein- bis zweimal im Jahr sorgt er dafür, dass sensibles Sperrgut unbeschadet in die Labore für Mikromaterialien des IZM gelangt. Dennoch hatte er vor dieser Aktion zusammen mit den Umzugsspezialisten eine „Trockenübung“ absolviert, damit am Ende auch wirklich alles wie am Schnürchen klappen konnte.
Routine gibt es nicht
Gut, wenn man dabei auf „ein packendes Team“ zurückgreifen kann. So lautet jedenfalls der Slogan der Spedition Haberling. Das 1907 gegründete inhabergeführte Unternehmen packt alles an, vom Gummibaum bis hin zu ganzen Rechenzentren, die über Nacht umgesetzt werden müssen. Am spannendsten sind für die 60 Mitarbeiter Hightechtransporte, weswegen ihr schweres Spezialgerät öfters in Adlershof anzutreffen ist – unter anderem beim Max-Born-Institut, dem Helmholtz-Zentrum für Materialien und Energie (HZB) oder bei der Deutschen Gesellschaft für Zerstörungsfreie Prüfung.
„Kein Auftrag ist wie der andere. Jeder stellt eine neue Herausforderung dar, Routine gibt es nicht“, sagt Haberling-Geschäftsführer Martin Kreß. Ihn hält es nicht lange im Sessel der Chefetage. Er mischt im Tagesgeschäft mit, zerbricht sich den Kopf darüber, wie etwa hochsensibles Laborgerät sicher von A nach B kommt. So wie beim Komplettumzug des Max-Planck-Instituts für molekulare Zellbiologie und Genetik von Heidelberg nach Dresden, bei dem einzigartige, nicht versicherbare Zellkulturen bei konstant minus 80 Grad Celsius transportiert und die Kühlkette lückenlos dokumentiert werden musste. „Wir scheuen uns weder vor sensiblen noch vor schweren Gütern“, betont Kreß, „im Bereich Hightech bewegen wir alles.“ Das ist für ihn der Reiz der Aufgabe. „Außerdem lerne ich sehr interessante Institute und Unternehmen kennen“. Er begreift sein Team und sich als „Problemlöser“.
Bessys Undulatoren bugsiert
Zu den besonders kniffligen Aufgaben zählte das Bugsieren von insgesamt zwölf Undulatoren in den Adlershofer Elektronenspeicherring Bessy. Undulatoren sind das Herzstück des Teilchenbeschleunigers. Sie erzeugen die Synchrotronstrahlung. Die Geräte bringen jeweils zwischen fünf und 15 Tonnen Gewicht auf die Waage und sind über vier Meter lang. Außerhalb des Speicherrings lassen sie sich mit Schwerlastkränen noch recht gut bewegen, doch drinnen müssen sie behutsam Zentimeter für Zentimeter auf Rollen und Luftkissen zum Ziel manövriert werden. Weder die bis zu 750.000 Euro teuren Undulatoren noch die Hightechgeräte entlang des Weges dürfen dabei beschädigt werden. Darüber wacht Konstrukteur Hans-Jürgen Bäcker, der im HZB in der Abteilung Undulatoren deren Transport verantwortet. Für ihn ist der Job fast schon Routine. Anders als für die Mannschaft von Haberling: „Die wird selten in so sauberer Umgebung arbeiten wie hier“, lacht Bäcker.
von Chris Löwer