PFAS-Belastung in deutschen Flüssen stärker als bisher angenommen
BAM-Forschungsteam analysierte 200 Schwebstoff-Proben aus mehreren Jahren auf per- und polyfluorierte Alkylverbindungen
Per- und polyfluorierte Alkylverbindungen (PFAS) sind eine Substanzklasse bestehend aus mehreren tausenden Einzelverbindungen. Unter PFAS zählen alle Verbindungen, die mindestens eine perfluorierte Methyl- (-CF3) oder Methylen-Gruppe (-CF2-) besitzen. Aufgrund der Persistenz, Bioakkumulation in Nahrungsketten, Toxizität und der ubiquitären Verbreitung von PFAS zählen sie zu den „emerging pollutants“. Die PFAS-Analytik ist wegen ihrer vielfältigen physikalisch-chemischen Eigenschaften und der sehr hohen Anzahl an PFAS eine große Herausforderung. Da es für viele Anwendungen noch ungewiss ist, welche PFAS verwendet werden, wie sie in die Umwelt gelangen und welche Transformations- bzw. Abbauprodukte entstehen, stoßen analytische Ansätze, die nur auf Einzelsubstanzen abzielen, hier an ihre Grenzen.
Der meistverwendete Ansatz zur PFAS-Analytik ist jedoch weiterhin die Target-Analytik. Weiterhin kann Non-Target-Screening (NTS), beruhend auf hochauflösender Massenspektrometrie, zur Identifizierung bisher unbekannter PFAS genutzt werden. Allerdings wird die Methode durch qualitative/semi-quantitative Daten limitiert. Dagegen zielen PFAS-Summenparameter-Methoden auf ein umfassendes Schadstoffscreening ab. Hier können zwei Hauptansätze unterschieden werden: der (direct) total oxidizable precursor assay ((d)TOPA), der auf Massenspektrometrie beruht, und Organofluor-Summenparameter, die auf fluorsensitiven Detektionssystemen wie high resolution-continuum source-graphite furnace molecular absorption spectrometry (HR-CS-GFMAS) beruhen.
In unserer Studie wurden insgesamt 200 suspended particulate matter (SPM) Proben in Zeitreihen (2005–2020) deutscher Flüsse mit 4 Verfahren zur PFAS-Analytik untersucht – (Non-)Target HRMS, dTOPA und extractable organically bound fluorine (EOF). Insgesamt hat die PFAS-Target-Analytik die PFAS-Belastung in SPM deutscher Flüsse drastisch unterschätzt und scheint als eigenständige Methode für die PFAS-Überwachung und -Risikobewertung nicht geeignet zu sein. Unter Verwendung von Organofluor-Massenbilanzierungsansätzen war ein höherer Anteil an PFAS in den frühesten untersuchten Proben identifizierbar. Mit der Zeit wurde das PFAS-Muster im SPM deutscher Flüsse komplexer, was zu einem Anstieg des nicht identifizierten EOF führte. Die Ergebnisse dieser Studie unterstreichen die Notwendigkeit der Integration von Summenparametern wie EOF und dTOPA in Risikobewertungsstrategien, um die PFAS-Belastungssituation umfassend abzubilden.
Publikation:
Quantification and characterization of PFASs in suspended particulate matter (SPM) of German rivers using EOF, dTOPA, (non-)target HRMS
Fabian Simon, Lennart Gehrenkemper, S. Becher, G. Dierckes, Nicole Langhammer, Antje Cossmer, Marcus von der Au, B. Göckener, A. Fliedner, H. Rüdel, J. Koschorreck, Björn Meermann
Erschienen in Science of the total environment, Band 885, Aufsatznummer 163753 , S. 1–12, 2023
doi.org/10.1016/j.scitotenv.2023.163753 | PUBLICA
Kontakt:
Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM)
Dr. rer. nat. Björn Meermann
Leiter Fachbereich Anorganische Spurenanalytik
Telefon +49 30 8104-1110
E-Mail Bjoern.Meermann(at)bam.de
Quelle: BAM-Paper des Monats vom 14.06.2023