Plädoyer für einen etwas anderen Umgang mit der zum Glück etwas anderen Generation Z
Essay von Wirtschaftswissenschaftler Christian Scholz, Professor an der Universität des Saarlandes in Saarbrücken
Als überzeugter Babyboomer habe ich mir das nie vorstellen können. Für die irgendwann nach 1990 geborene Generation Z rangiert der öffentliche Dienst als Arbeitgeber ganz weit oben auf der Liste der gefragtesten Arbeitgeber.
Das kann man jetzt reflexhaft negieren und auf Einsicht bei den Jugendlichen hoffen. Man kann aber auch fragen: Warum hat sich die Generation Z so entwickelt? Dafür gibt es gute Gründe.
Diese Jugendlichen haben gesehen, wie ungesund übertriebener Ehrgeiz ist. Nicht überraschend. Am Sonntagabend sieht der „Tatort“ ihre Vorgängergeneration Y ziemlich zutreffend „im Spannungsfeld von maximaler Beschleunigung und maximalem Wettbewerb bei minimalen Zukunftsperspektiven“.
Keine andere Generation wurde so umsorgt und behütet. „Helicopter Parents“, die ihren Kindern den Rucksack in die Schulklasse bis zum Sitzplatz tragen, sind genauso Realität wie eine durchgetaktete 40-Stunden-Woche für Jugendliche. Nicht zu vergessen: die grotesken (Hoch)Schulreformen wie G8 und „Bologna“.
Jetzt kommt aber das Fantastische: Auch wenn die Generation Z „leise“ ist und man ihr kein großes politisches Interesse attestieren kann, so handelt sie doch konsequent.
Sie will eine klare Trennung zwischen Beruf und Privat, aber definitiv kein Work-Life-Blending, also einen fließenden Übergang von Berufs- und Privatleben.
Sie will sich eine gewisse Freiheit in ihrer Arbeitszeitgestaltung bewahren, aber ganz sicher keine Flexibilität nach „Gutsherrenart”, wie sich das so mancher Konzern derzeit so schön ausmalt.
Sie will im Beruf kreativ und begeistert Leistung bringen, aber nicht in irgendeinem Hamsterrad irgendwelchen Karrierezielen nachjagen.
Spätestens jetzt drängt sich die Frage auf: Ist das alles so verkehrt? Vielleicht gewöhnungsbedürftig und nicht passend zu dem, was uns diverse lautstarke Protagonisten als „New Work“ verkaufen wollen. Aber verkehrt? Wohl nicht.
Nirgendwo ist bewiesen, dass metastasenartiges Eindringen des Berufs in das Privatleben gut wäre für Unternehmen, geschweige denn für uns Menschen. Keiner kann uns beweisen, dass Rufbereitschaft rund um die Uhr langfristig die Produktivität steigert. Und keiner konnte bisher erklären, warum ein Mitarbeiter nach einem durchgearbeiteten Wochenende am Montag besonders kreativ und innovativ sein soll.
Warum stellen wir uns nicht in unserem ureigenen Interesse auf die Generation Z ein, auch wenn sie – das kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen – in vielerlei Hinsicht durchaus gewöhnungsbedürftig ist?
Vielleicht wäre es auch eine gute Idee, unsere Personalsysteme zu verändern und nicht länger darauf zu zählen, dass sich in hippen Gründerzentren und anderen schönen Locations alles vom Arbeitszeitmodell bis hin zur Personalentwicklung wie von magischer Hand selbst optimiert.
Eine ganz radikale Idee: Könnten wir nicht anfangen, die wirklichen Wünsche der Generation Z zu berücksichtigen, wenn wir um sie werben? Anstatt ihr zu erklären, was für sie richtig ist? Ein kleiner Tipp: Die Generation Y findet „Vertrauensarbeitszeit“ cool, die Generation Z aber im wahrsten Sinne des Wortes zum Davonlaufen.
Und schließlich: Wir könnten Babyboomern sowie den Generationen X, Y und Z nicht nur ihre Unterschiedlichkeit bewusst machen, sondern sie sogar in ihrer Unterschiedlichkeit bestärken. Also: Echte soziale Innovation! Sie würde Diversität und auf diese Weise definitiv Kreativität plus Produktivität schaffen.
Wie wäre das? Warum es nicht einfach versuchen?