Ratschläge für Start-Up-Firmen: Wie wird man Weltmarktführer in der Nische?
Eine Antwort auf diese Frage muss nicht unbedingt aus den Chefetagen multinationaler Großkonzerne kommen. Auch zahlreiche Adlershofer Unternehmen können darüber Auskunft geben, drei davon stellvertretend in diesem Heft. Gegründet wurden sie Anfang der 1990er Jahre von Mitarbeitern des Zentrums für wissenschaftlichen Gerätebau der ehemaligen Akademie der Wissenschaften der DDR. Die Erfahrungen der Geschäftsführer haben wir zu vier Ratschlägen für Start-Up-Firmen zusammengefasst.
Ratschlag Nummer eins: Sich auf das konzentrieren, was man kann. „Es hat sicherlich keinen Sinn, nach einer Weltmarkt-Nische zu suchen“, sagt Thomas Schülein von Bruker Nano, vormals Röntec GmbH. „Sie müssen auf Ihrer Erfahrung aufbauen – und trotzdem für Neues offen sein.“ Sein Unternehmen hatte 1996 gemeinsam mit dem Max-Planck-Institut für Extraterrestrische Physik in Garching und einem weiteren Partner einen neuen Detektor für Röntgenstrahlung entwickelt. Er musste nicht wie bislang üblich mit flüssigem Stickstoff aufwändig gekühlt werden. Die großen Mitbewerber scheuten das Entwicklungsrisiko und versuchten, das Verfahren schlecht zu reden. „Je größer das Unternehmen, desto konservativer ist oft die Entscheidungskultur“, sagt Schülein. „Uns hat das einen technologischen Vorsprung verschafft.“ Heute sind seine Detektoren immer noch viermal schneller als die der Konkurrenz.
Ratschlag Nummer zwei: Keine Angst vor Kooperation. „Wir Zwerge müssen schließlich zusammenhalten“, meint Norbert Langhoff vom IfG Institute for Scientific Instruments, das 28 Mitarbeiter beschäftigt. Obwohl beide Firmen auf einem sehr ähnlichen Gebiet tätig sind, hat er zusammen mit Bruker Nano Röntgenspektrometer entwickelt, die die Schichtdicke von Solarzellen messen können – oder als mobiles Gerät im Museum über die Echtheit von Gemälden entscheiden. Die dafür benötigte Röntgenstrahlung wird punktgenau über hauchdünne, mikrostrukturierte Glaskapillare an den Ort der Messung gelenkt. „Bei solchen Röntgenlichtleitern sind wir Marktführer“, sagt Langhoff. „Da hat es Sinn, mit anderen Marktführern zu kooperieren.“ Und wenn man seine Entwicklungen rechtzeitig patentiere, müsse man auch keine Angst vor Know-how-Transfer haben.
Ratschlag Nummer drei: Der Kunde ist König. „Wir verzichten auch schon mal auf unser Logo und arbeiten statt dessen koreanische Schriftzeichen in die Geräte ein“, sagt Frank Gerstmann von LLA Instruments. Sein Unternehmen verkauft Infrarot-Spektrometer vor allem an Hersteller von Recycling-Anlagen in aller Welt. Die sind zwar daran interessiert, bis zu 30 verschiedene Kunststoffe mit hoher Geschwindigkeit verlässlich zu detektieren – wollen aber manchmal nicht, dass ihr Endkunde erfährt, wem er das zu verdanken hat. „Um als deutsches Unternehmen weltweit bestehen zu können, ist ein gutes persönliches Verhältnis zu den Partner-Firmen in den jeweiligen Ländern unverzichtbar“, sagt Gerstmann.
„Der vierte Ratschlag hängt vielleicht auch damit zusammen, dass ich im Osten groß geworden bin“, meint Norbert Langhoff vom IfG. „Er lautet: Nicht zu schnell wachsen.“ Durch konservative Finanzpolitik und nur langsame Aufstockung der Mitarbeiterzahl in den letzten Jahren ist sein Unternehmen relativ unbeschadet durch die Krise gekommen. „Müssen Sie plötzlich Mitarbeiter entlassen, kommt Unruhe in die Firma“, sagt Langhoff. „Und dann gehen vielleicht auch die wirklich guten Leute.“
von Wolfgang Richter