Raumschiff Cassini untersucht äußeren Saturnmond Phoebe - Nach siebenjähriger Reise durch den Weltraum erster naher Kontakt mit Saturnsystem
DLR-Wissenschaftler wollen genaue Karten des kleinen Saturntrabanten erstellen – Neue Bilder werden zweitausendmal genauer sein als bisher – DLR an der Planung der präzisen Beobachtung beteiligt
Pressemitteilung Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt, 08.06.04
Köln/Berlin – Zwanzig Tage vor der Ankunft der amerikanisch-europäischen Planetenmission Cassini/Huygens am Ringplaneten Saturn wird die Raumsonde am Freitagabend (11. Juni 2004, 21.33 Uhr MESZ) den äußeren Mond Phoebe passieren. Dabei wird das Raumschiff mit einer Geschwindigkeit von rund 21.500 Kilometer pro Stunde in nur zweitausend Kilometer Entfernung an dem etwa 220 Kilometer großen Trabanten vorbeifliegen. Mit seinen Fernerkundungsinstrumenten wird es Bilder aufnehmen und Messungen durchführen, die alle bisherigen Daten des kleinen Mondes um viele Größenordnungen an Qualität übertreffen werden. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Berlin-Adlershof wird an den Phoebe-Beobachtungen teilnehmen und einen Teil der am Wochenende zur Erde übertragenen Daten wissenschaftlich auswerten. Zunächst sollen erste genaue Karten des kleinen Mondes erstellt werden, anschließend eine detaillierte wissenschaftliche Analyse der Oberflächen und Strukturen erfolgen. In der Nacht zum 1. Juli 2004 wird das Raumschiffgespann an seinem Ziel, dem Saturn, ankommen und in eine Umlaufbahn einschwenken. Innerhalb der nächsten vier Jahre soll es bei mindestens 78 nahen Vorbeiflügen den Gasplaneten, seine Ringe und Monde genauestens erforschen. Die an Cassini angedockte europäische Huygens-Sonde soll an Weihnachten 2004 abgetrennt werden und am 14. Januar 2005 auf Titan landen, um den größten Saturnmond zu erforschen. Größer als der Erdmond, ist Titan übrigens der einzige Planetenmond in unserem Sonnensystem mit einer Atmosphäre. Diese scheint noch in einem sehr ursprünglichen Zustand zu sein, wie er möglicherweise vor viereinhalb Milliarden Jahren auf der Erde herrschte. Dies macht Titan für die Wissenschaftler besonders interessant.
Phoebe – der äußerste Saturnmond im Visier
Nach fast sieben Jahren Reisezeit und nunmehr dreieinhalb Milliarden Kilometer zurückgelegter Strecke ist der Vorbeiflug an Phoebe das bislang wichtigste wissenschaftliche Vorhaben der Cassini/Huygens-Mission. Phoebe, ein halbwegs kugelförmiger Körper mit Durchmessern zwischen 210 und 230 Kilometern, kreist mit einer Umlaufperiode von 550 Tagen in etwa 13 Millionen Kilometer Entfernung um den Saturn. Wegen dieser großen Distanz hat Cassini nur im Anflug an den Ringplaneten die Möglichkeit zu genauen Beobachtungen des Mondes, der sich zudem fast in der Ringebene um Saturn bewegt – wäre dies nicht der Fall, könnte aus bahntechnischen Gründen dieser spektakuläre Nahvorbeiflug gar nicht erst erfolgen.
Die Ankunft Cassinis am Saturn wurde nicht zuletzt wegen einer möglichst nahen Passage an Phoebe auf den 1. Juli 2004 gelegt. Die Bahn des Mondes wird gegenwärtig noch durch die Analyse von Anflugbildern präzisiert – vermutlich wird der Moment der größten Annäherung an Phoebe (2.063 Kilometer) am Freitag um 21:33 Uhr und 37 Sekunden (MESZ) stattfinden. Damit Phoebe, der sich in neuneinhalb Stunden einmal um seine eigene Achse dreht, von allen Seiten möglichst umfassend fotografiert werden kann, sind bereits den ganzen Freitag vor dem Vorbeiflug die Instrumente angeschaltet. Danach wird das Raumschiff um 180 Grad gedreht, so dass "im Blick zurück" bis Samstagmittag weitere Daten aufgenommen werden können. Insgesamt werden Messungen von mehr als zwei Rotationen des Mondes durchgeführt. Die Übertragung aller Daten an die 70-Meter-Antennen des "Deep Space Network" der NASA findet unmittelbar danach statt. Die mit Lichtgeschwindigkeit übertragenen Signale werden für die Strecke von der Cassini-Sonde zur Erde rund 83 Minuten benötigen, da Saturn gegenwärtig 1,5 Milliarden Kilometer von der Erde entfernt ist.
Auswertung der Phoebe-Daten auch beim DLR in Berlin-Adlershof
Durch die Mitgliedschaft von Dr. Ralf Jaumann, Wissenschaftler am Berliner DLR-Institut für Planetenforschung, im internationalen Spektrometerteam von Cassini werden exklusive Aufnahmedaten auch in Deutschland ausgewertet. Die Aufnahmen des Spektrometers VIMS (Visual and Infrared Mapping Spectrometer) ermöglichen die Analyse der chemischen und mineralogischen Zusammensetzung der Phoebe-Oberfläche. "Diese Untersuchungen", so Dr. Jaumann, "könnten die Frage klären, ob Phoebe ein von der Schwerkraft des Saturn 'eingefangener' Asteroid mit noch unveränderter Zusammensetzung ist, also kein originärer Saturnmond. Das vermuten wir, weil es nach bisherigem Kenntnisstand so aussieht, als ob wir es hier mit einem chemisch sehr primitiven, kohlenstoffhaltigen Körper zu tun haben, dessen Bestandteile im solaren Urnebel kondensierten."
DLR bei der sekundengenauen Beobachtungsplanung für den schnellen Vorbeiflug beteiligt
Am DLR erfolgte ein Teil der sekundengenauen Beobachtungsplanung für VIMS mit dem Ziel, eine vollständige Abdeckung des Mondes mit Spektralmessungen in hoher Auflösung zu erreichen. Die räumliche Auflösung der Spektrometerdaten wird unter einem Kilometer pro Datenpunkt liegen und dies in 352 unterschiedlichen, sehr engen Spektralkanälen in den Wellenlängen zwischen 350 und 5000 Nanometer (millionstel Millimeter). Damit will die VIMS-Gruppe von Dr. Jaumann kartographisch präzise globale "Spektralkarten" des Mondes erstellen, aus denen die chemisch-mineralogische Zusammensetzung der Oberfläche herausgelesen werden kann. Das DLR leistete ferner Beiträge zur Eichung der Farben des VIMS-Instruments.
Bilder in Echtfarben und in sehr hoher Auflösung wird die Kamera ISS (Imaging Sub System) an Bord von Cassini liefern. Die einzige deutsche wissenschaftliche Beteiligung an diesem Experiment hat Professor Gerhard Neukum vom Institut für Geologische Wissenschaften an der Freien Universität Berlin. In Kooperation mit Professor Neukum und der Cassini-Arbeitsgruppe an der FU Berlin sowie dem ISS-Wissenschaftsteam unter der Leitung von Dr. Carolyn Porco (Space Science Institute in Boulder, Colorado) plante das DLR-Institut für Planetenforschung das punktgenaue "Zielen" der Kamera auf den unter astronomischen Gesichtspunkten betrachtet winzigen Mond, der von der Cassini-Kamera mit einer Auflösung von weniger als zwanzig Metern pro Bildpunkt ("Pixel"), im besten Fall sogar mit nur zwölf Meter pro Pixel aufgenommen wird: Das werden Bilder in einer ähnlich herausragenden Schärfe sein, wie sie gegenwärtig auch die vom DLR betriebene Kamera an Bord von Mars Express liefert.
Zweitausendmal bessere Bildqualität als bisher von Phoebe
In Berlin-Adlershof sollen mit diesen hochauflösenden Bildern genaue topographische Karten von Phoebe erstellt werden. Die bisher einzigen existierenden Bilder des steinernen Winzlings stammen vom Vorbeiflug der amerikanischen Raumsonde Voyager 2 in zwei Millionen Kilometer Entfernung im September 1981 und zeigen den Trabanten mit gerade mal elf Pixeln Durchmesser, die kaum Strukturen erkennen lassen – Cassini wird also zweitausendmal bessere Bilder aufnehmen. Für das Imaging Sub System ISS sind 398 Aufnahmen von Phoebe vorgesehen. Wenn die Experimente wie geplant gelingen, wird Phoebe, in der griechischen Mythologie einer der "Titanen" und für zyklisch wiederkehrende Ereignisse wie das Zu- und Abnehmen des Mondes "verantwortlich", für viele Monate der besterforschte Saturnmond sein.
Die Mission, benannt nach dem italienisch-französischen Astronomen Giovanni Domenico Cassini (1625-1712) und seinem holländischen Kollegen Christiaan Huygens (1629-1695), wurde 1997 an Bord einer Titan 4b-Centaur-Rakete von Cape Canaveral/USA aus gestartet. Das Projekt steht unter der Federführung der US-amerikanischen Weltraumbehörde NASA und der Europäischen Weltraumorganisation ESA.
Ansprechpartner:
Ulrich Köhler
DLR-Institut für Planetenforschung, Berlin-Adlershof
Tel.: 030 / 67055-215
Fax: 030 / 67055-402
E-Mail: ulrich.koehler(at)dlr.de