Reden wir über KI
Mathematiker Mario Koddenbrock entwickelt mit künstlicher Intelligenz alltagspraktische Lösungen
Mario Koddenbrock, Mathematiker und Experte für Mustererkennung bei der Gesellschaft zur Förderung angewandter Informatik (GFaI), forscht zu künstlicher Intelligenz (KI) und entwickelt alltagspraktische Lösungen. KI ermögliche Anwendungen, die noch vor wenigen Jahren unerreichbar schienen, sagt er. Aber dem Thema muss auch kritisch begegnet werden – am besten, indem darüber gesprochen wird, um Chancen und Risiken auszuloten.
Abgehobene Mathematik? Abstrakte Algorithmen? Komplexe Konstrukte? Mag sein. Aber wer an künstlicher Intelligenz arbeitet, verharrt nicht in der Theorie. „Mit mathematischen Methoden und Rechenpower werden bisher undenkbare Anwendungen möglich und Probleme lösbar“, schwärmt Mario Koddenbrock. Der 35-Jährige ist Forscher im Bereich Strukturdynamik und Mustererkennung (SDM) bei der Gesellschaft zur Förderung angewandter Informatik e. V. (GFaI) und arbeitet hier seit fast zehn Jahren an KI. „Algorithmen werden im Alltag nützlich, Mathematik greifbar. Das ist der Reiz an dem Thema, das sich unglaublich schnell entwickelt“, betont Koddenbrock.
Wie nützlich die vermeintlich abstrakte Arbeit ist, hat der Mathematiker unlängst mit seiner Forschungsarbeit „KI-basierte Zustandsüberwachung eines mechanisch pulsierenden Herzunterstützungssystems“ gezeigt. In dem Projekt für den Medizintechnikhersteller Berlin Heart GmbH hat er eine Methode entwickelt, wie sich die Herzpumpe von Kardio-Patient:innen mit KI automatisch monitoren ließe. Auf diese Weise könnten Träger:innen eines solchen Unterstützungssystems sicher und beruhigt ihren Alltag bewältigen. Um die Herzpumpe auf ihre korrekte Funktion zu kontrollieren, muss derzeit medizinisches Fachpersonal aufgesucht werden. Mit dem von Koddenbrock entwickelten Demonstrator gewännen Patient:innen deutlich mehr Selbstständigkeit im Alltag. Möglich wird das letztlich durch eine clevere Kombination aus akustischer Signalverarbeitung, Statistik und künstlicher Intelligenz. Kurz: mehr Lebensqualität durch KI. Solche Effekte sind es, was Koddenbrock an seiner Arbeit schätzt.
Unternehmen die neuen Möglichkeiten aufzuzeigen, über Chancen und Grenzen zu sprechen, zu diskutieren, was KI kann und was sie besser sein lassen sollte, auch das treibt Koddenbrock um. „Es geht darum, KI gerade für kleine und mittlere Unternehmen nahbarer zu machen“, erklärt der Forscher. Er hält Vorträge, sucht das Gespräch und nutzt soziale Medien, um zu erklären und etwaige Berührungsängste abzubauen.
Aber KI wird auch die Art, wie wir kommunizieren, verändern, ist Koddenbrock überzeugt. Naheliegend ist das mit Blick auf die großen Sprachmodelle wie ChatGPT, die Fragen beantworten, Texte schreiben, Bilder, Musik und Software erschaffen und mit denen im Grunde natürlichsprachlich kommuniziert werden kann. Mittlerweile gelingt es bereits mit neuesten KI-Tools, sich lippensynchron in einer anderen Sprache, etwa per Videocall mit Kollegen in China, zu unterhalten, erzählt der Forscher. Aufwendiges Synchronisieren von Filmen könnte bald überflüssig werden.
Genau das, die Angst davor, dass KI Arbeitsplätze vernichtet, teilt Koddenbrock nur bedingt: „Ich gehe vielmehr davon aus, dass zwar Aufgaben und Jobs verschwinden werden, dafür aber neue entstehen oder Mitarbeitende von bislang lästigen und eintönigen Arbeiten entlastet werden, so dass sie sich kreativeren Tätigkeiten widmen können.“ Nicht zuletzt könne durch derart getriebene Automatisierung dem Fachkräftemangel begegnet werden.
Sicher, über Grenzen und Regeln muss gesprochen werden, was auch geschehe. „Es gibt viel Panikmache“, sagt Koddenbrock, „aber auch berechtigte Sorge. Daher ist es gut, dass darüber diskutiert wird.“
Chris Löwer für Adlershof Journal