Safari vor der Haustür
Die Stadtnatur-Ranger:innen wissen, wie sehr es in Adlershof wuselt und summt
In großen Nationalparks sind Ranger als Hüter eines Landschaftsraums bekannt, aber in Städten? Dabei sind auch Letztere von nicht wenigen Tieren besiedelt. Seit 2019 gibt es das landesweit einzige Projekt „Stadtnatur-Rangerinnen und -Ranger“ im Auftrag der Berliner Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt, koordiniert von der Stiftung Naturschutz Berlin. In aufklärenden Gesprächen und Führungen vermitteln Ranger:innen in der Hauptstadt zwischen Mensch und Natur.
Nancy Manke arbeitet im Stadtteil Treptow-Köpenick. Unter anderem betreibt sie als Stadtnatur-Rangerin im Landschaftspark Johannisthal mit ihrem Kollegen Julius Kiso Landschaftspflege, erfasst und bestimmt Pflanzen und Tiere, ihr Schwerpunkt liegt bei Tagfalterarten, Kröten und Echsen. „Totholzhaufen, Steinstrukturen und Biotope auf dem ehemaligen Flugfeld bilden einen optimalen Lebensraum für Reptilien und Insekten. Wir haben circa 160 Schmetterlingsarten, 100 Laufkäferarten und 19 Heuschreckenarten, besonders markant ist die blauflügelige Ödlandschrecke.“ Den Namen trägt die Schrecke aufgrund ihrer blauen Flügelchen. „Außerdem haben wir über 350 verschiedene Wildbienen- und Stechwespenarten,“ fährt Manke fort. Damit sei das einstige Flugfeld eines der artenreichsten Gebiete Berlins.
Die 65 Hektar große Fläche lässt auch das Herz von Vogelbegeisterten höherschlagen. „Wer die Ohren spitzt, kann viele Feldlerchen hören.“ Feldlerchen sind leicht zu erkennen. „Die Männchen starten 50 Meter in den Himmel und bleiben dann fliegend auf einer Stelle.“ Auch der vom Aussterben bedrohte Steinschmätzer, eine Sperlingsart, von der es in Deutschland nur noch wenige tausend Brutpaare gibt, brütet in aufgeschichteten Steinhaufen. Schafe leben im Park als natürliche Rasenmäher, Rehe springen hin und wieder durchs Feld.
Auch größere Tiere sind in Berlin gut zu beobachten, so zum Beispiel die „Big Five“: Steinmarder, Fuchs, Kaninchen, Wildschwein und Waschbär. „Füchse streunen in Adlershof umher, Wildschweinbegegnungen am helllichten Tag habe ich schon öfter gehabt,“ erzählt Manke. Bei einer Begegnung mit einem Wildtier ist Vorsicht angebracht. „Wichtig ist es, Abstand zu wahren und ruhig zu bleiben. Die Tiere brauchen immer einen Fluchtweg.“ Ein Problem sei vor allem für Kleingärtner:innen der Waschbär. „Oft wollen Leute wissen, was sie tun können, wenn dieser ihre Kirschen frisst oder auf dem Dachboden haust.“ Wichtig sei es, die Tiere auf keinen Fall zu füttern. Mankes Tipp: „Wenden Sie sich an den Naturschutzbund. Gerade für die ‚Big Five‘ gibt es eine kostenlose telefonische Wildtierberatung.“
Berlin ist nicht nur Bundes-, sondern auch Fledermaushauptstadt. Laut Naturschutzbund Deutschland wohnen 18 von insgesamt 25 in Deutschland heimischen Fledermausarten in Berlin. Sie leben in Altbauten, Mauernischen, alten Bunkern oder Kellern sowie Parks und verstecken sich in Rindenspalten oder Baumhöhlen. Warum die Stadt für die Tiere so beliebt ist? „Das hat ganz verschiedene Gründe. Die asphaltierte Stadt ist wärmer als das Umland und geprägt durch viele verschieden strukturierte Lebensräume auf vergleichsweise engem Raum. So finden einige Arten der Fauna und Flora beispielsweise auf nährstoffarmen, trockenen Flächen wichtige Ersatzlebensräume.“ Eine menschliche Nutzung und Naturschutz schließen sich nicht aus, sondern können sich auch gut ergänzen, so Manke.
Tiere passen ihr Zusammenleben an den Menschen an. Krähen werfen zum Beispiel Nüsse auf die Fahrbahn, um sie von fahrenden Autos aufknacken zu lassen, manche Rotkehlchen werden, um weniger Kontakt zu Menschen zu haben, nachtaktiv. Zuweilen kann die Symbiose von Mensch und Tier recht skurrile Auswirkungen haben, weiß Manke: „Der Star kann ganz illustre Geräusche von sich geben. Er imitiert Motorsägen, Alarm anlagen, Polizeisirenen und Handymelodien.“
Susanne Gietl für Adlershof Journal