Sonnenfinsternis
Was wir aus der Solarkrise lernen
Eigentlich müsste die Energiewende die Photovoltaik beflügeln. Stattdessen steckt sie im Tief. Chinesische Subventionen verzerren den Wettbewerb. Zusätzlich nimmt der förderpolitische Zickzackkurs der Bundesregierung der Branche jede Planungssicherheit. Mit Solon ist das erste Vorzeigeunternehmen insolvent. Viele Adlershofer bangen um ihre Jobs. Doch die Unternehmen und Forschungseinrichtungen hier sind mit ihrem Latein noch lange nicht am Ende.
Verkehrte Welt im Photovoltaiksektor: Seit 2004 ist der Vergütungssatz für Solarstrom von über 57 Cent auf 24 Cent pro Kilowattstunde gesunken; weitere 30 Prozent Absenkung sollen folgen. Binnen fünf Jahren haben die Hersteller ihre Produktivität zuletzt derart gesteigert, dass die Anlagenkosten um die Hälfte sanken. Doch trotz ihrer ungeheuren Fortschritte sehen sich die Macher der Branche am Pranger.
Fortschritte der PV-Branche negiert
Zu teuer, zu ineffektiv, zu hoch gefördert sei die Photovoltaik. Bundeswirtschaftsminister Rösler droht gar, den Solarstromanteil von vier Prozent am deutschen Strommix durch Abwürgen der Förderung nur noch um ein Prozent weiter steigen zu lassen. „Das Bittere an der aktuellen Debatte ist, dass die Fortschritte der Branche negiert werden“, sagt Nikolaus Meyer, Geschäftsführer der Soltecture GmbH. Überdies trifft sie die deutschen Solarfirmen zur Unzeit. Denn die ächzen unter krassem Kostendruck. Die Lage ist Produkt der Förderpolitik – in China. Dort haben Modulhersteller Zugang zu staatlichen Milliardenkrediten. „Nicht geringe Arbeitskosten, nicht bessere Technik, sondern der Zugang zu zinsgünstigem Kapital und so erkaufte Skaleneffekte erlauben es chinesischen Herstellern, den Weltmarkt mit günstigen Modulen zu überschwemmen“, erklärt Meyer.
Mit Solon hat diese Modulflut das erste deutsche Vorzeigeunternehmen erfasst. Weltweit 800 Mitarbeiter bangen im angelaufenen Insolvenzverfahren um ihre Jobs. Unklar, wie es im Adlershofer Headquarter weitergeht. Nur wenige Straßen weiter, in der Johann-Hittorf-Straße, entsteht gerade das neue Zentrum für Photovoltaik und Erneuerbare Energie (ZPV). Der Rohbau ist fertig. „Dabei wird es nicht bleiben“, versichert Projektleiter Bernd Ludwig, der auch für das Zentrum für Photonik und Optik verantwortlich ist. Selbstverständlich werde das ZPV wie geplant realisiert. „Warum auch nicht? Die Verhandlungen mit Mietern laufen auf Hochtouren“, sagt er.
Integrierte Fassaden- und Dachsysteme
Auch Meyer schmiedet Zukunftspläne in Adlershof. Soltecture werde von aktuell 35 MW jährlicher Produktionskapazität auf 75 MW wachsen. Allerdings nicht kurzfristig. „Die aktuelle Lage ist auch für uns schwierig“, räumt er ein. Doch der globale Umbau der Energiesysteme beginne erst. Photovoltaik werde gebraucht. In sonnigen Ländern sei Solarstrom schon jetzt günstiger als Offshore-Windstrom. Fraglich nur, welche Module ihn produzieren. Der Markt wird wohl vorerst in chinesischer Hand bleiben. Doch für Systemanbieter, die Klasse statt Masse liefern, werden sich Nischen ergeben. Soltecture setzt auf integrierte Fassaden- und Dachsysteme, die bei Architekten und Bauherren wegen ihres Designs auf große Resonanz stoßen. Ludwig sieht solche Systeme ebenso wie Kombinationen mit Speicherlösungen als lukrative Märkte für deutsche Anbieter. Hier werde auch das ZPV Schwerpunkte setzen.
Von der Zukunftsbranche zum Nischenanbieter also? – Klingt ernüchternd. Doch so defensiv ist Meyer nicht. „Wir forschen seit zehn Jahre an unserer Dünnschichttechnologie“, sagt er. Jetzt, wo die Lernkurve bei waver-basierten Modulen ausgereizt sei und Kosten nur noch durch Skaleneffekte sinken, zahle sich die Vorarbeit aus. „Allein schon, weil wir 99 Prozent weniger Halbleitermaterial brauchen und noch große Optimierungspotenziale sehen, werden wir die aktuelle Technik schon bald unterbieten“, ist er überzeugt.
von Peter Trechow