Späher aus der Luft: Wie Geier und Satelliten Afrikas Wildtiere schützen
Kleinsatelliten der Charlottenburger Firma Rapid Cubes helfen beim Kampf gegen Wilderei

Wenn es um den Schutz der afrikanischen Tierwelt geht, stehen oft Elefanten und Nashörner im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Ein bahnbrechendes Projekt namens GAIA bringt nun unerwartete Helfer ins Spiel: Geier, Kleinsatelliten und das Know-how der Charlottenburger Firma Rapid Cubes. Gemeinsam bilden sie ein Hightech-Frühwarnsystem gegen Wilderei.
Geier haben nicht den besten Ruf. Sie gelten als Aasfresser, unansehnliche Aushilfsreiniger der Savanne. Doch ihre scharfen Augen und ihr untrüglicher Instinkt machen sie zu perfekten Aufklärern. Wo sie in großer Zahl kreisen und sich niederlassen, könnte etwas passiert sein – und genau das macht sie für das GAIA-Projekt so wertvoll.
Mit leichten GPS-Sendern ausgestattet, liefern Geier wertvolle Daten, die in Echtzeit analysiert werden. Zeigt sich eine plötzliche Ansammlung von Vögeln an einem unerwarteten Ort, könnte dies auf ein totes Tier oder eine Wilderei hinweisen. Diese natürlichen Späher ermöglichen es, verdächtige Aktivitäten schneller zu erkennen als durch bodengebundene Patrouillen. Die gewonnene Zeit kann den Unterschied zwischen Rettung und Verlust eines Tieres bedeuten. Um diese Signale in entlegenen Gebieten Afrikas zu empfangen und auszuwerten, braucht es eine leistungsfähige Kommunikationsinfrastruktur. Hier kommen sogenannte Nanosatelliten ins Spiel. Diese winzigen Satelliten in niedriger Erdumlaufbahn können die GPS-Daten der Geier empfangen und direkt an Wildhüterinnen und Wildhüter weiterleiten.
Walter Frese ist der Kopf hinter dem 2021 gegründeten Start-up Rapid Cubes, das im Charlottenburger Gründungszentrum CHIC angesiedelt ist. Die Firma hat sich auf die Entwicklung von Nanosatelliten und Satellitensystemen spezialisiert.
Diese nur etwa ein bis zwanzig Kilogramm schweren, aber leistungsstarken Satelliten ermöglichen eine kosteneffiziente und flexible Beobachtung aus dem All und sind oft essenziell für Navigations- oder Kommunikationsanwendungen im Orbit und auf der Erde. Nach einem erfolgreichen Start mehrerer Nutzlasten auf einem zehn Kilogramm schweren Nanosatelliten der Technischen Universität Berlin im vergangenen Jahr wird Rapid Cubes 2025 und 2026 weitere, diesmal eigene „Cubes“ ins All schicken. Das „Flugticket“ hat das Unternehmen durch einen Wettbewerb des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) gewonnen.
„Als Kind wollte ich Pilot werden“, erzählt Frese. „Mir ging es um Geschwindigkeit. Der Weltraum mit seiner luftlosen Weite hat mich damals nicht sonderlich interessiert.“ Heute ist das anders. Fasziniert von Technik, entschied er sich für ein Studium der Raumfahrttechnik.
Hinter dem Akronym GAIA verbirgt sich „Guardian of the Wild using Artificial Intelligence Applications and Satellite-based IoT Networks”. Der Name beschreibt die technischen Herausforderungen des Projekts. Die Datenübertragung muss auch in abgelegenen Regionen funktionieren, das System energieeffizient sein, und die Empfänger am Boden dürfen nicht zu komplex oder teuer sein. Modernste IoT-Technologie (Internet of Things) ermöglicht es, kleine Datenpakete über große Entfernungen hinweg zu senden. Eine besondere Herausforderung ist die niedrige Erdumlaufbahn der Satelliten, die bedeutet, dass sie nur für kurze Zeitfenster mit den Geiern „kommunizieren“ können. Daher müssen die Systeme intelligent synchronisiert werden, um keine wichtigen Informationen zu verpassen.
Das GAIA-Projekt zeigt bereits erste Erfolge. In Pilotregionen konnten Wilderei-Vorfälle schneller erkannt und Wildhüterinnen und Wildhüter gezielt zu verdächtigen Orten geschickt werden. Die Kombination aus biologischer Intelligenz (Geier) und modernster Satellitentechnologie hat das Potenzial, die Wilderei-Industrie vor ernsthafte Probleme zu stellen und Geier – und Kleinsatelliten endlich als das erkannt zu werden, was sie wirklich sind: Lebensretter aus der Luft.
Rico Bigelmann für POTENZIAL