Stresslöser oder Störfaktor
Wie Tiere am Arbeitsplatz Stress senken und die Produktivität steigern, warum aber klare Regeln wichtig sind
Tiere am Arbeitsplatz? Daran scheiden sich die Geister. Dabei können vor allem Hunde im Büro Stress senken und die Produktivität steigern. Das allerdings nur, wenn klare Regeln herrschen, wie unsere Stichproben unter Frauchen und Herrchen auf dem Campus zeigen.
Mina ist ein richtiger „Kuschelbär“. So nennt jedenfalls Karin Neugebauer ihre Hündin. Und das kommt nicht von ungefähr: Mina ist ein Elo, ein Mischling, der mit einem dicken flauschigen Fell gesegnet ist, das gestreichelt werden will. Elos gelten als ausgeglichene, dennoch aktive Familienhunde. Gäbe es diese Beschreibung, ließe sich auch „ausgezeichneter Bürohund“ ergänzen. Denn viele Mitarbeitende im Forschungsverbund Berlin e. V., wo Neugebauer als Personalsachbearbeiterin arbeitet, lieben Mina. Auch, weil sie gut erzogen ist. Springt die Bürotür auf, dann flitzt die Kleine brav auf ihren Platz, bellt nicht – lässt sich aber gerne beschmusen. „Ich liebe meinen Hund, habe ihn aber auch streng erzogen“, betont Neugebauer.
Was nicht von ungefähr kommt. Neugebauer hat mit 13 Jahren ihren ersten Vierbeiner bekommen. „Vom ersten Tag an war ich für meinen Schäferhund verantwortlich“, erzählt sie. „Seither kann ich mir ein Leben ohne Hund kaum vorstellen.“
Und so wurde auch Mina, jetzt dreieinhalb Jahre alt, zu Neugebauers Lebensmittelpunkt. „Für mich kommt es nicht infrage, dass ein Hund große Teile des Tages allein zu Hause verbringt, während ich arbeite.“ Doch nicht jedes Office steht der Tierwelt offen. Auch im Forschungsverbund Berlin gab es dazu anfangs keine allgemeingültige Regelung. Dann kam Mina. Neugebauer fragte bei der Geschäftsleitung, ob sie ihren Vierbeiner mitbringen dürfe. Die wollte daraufhin zunächst per Mitarbeitendenbefragung ein Stimmungsbild einholen – aus der letztlich eine „Hundevereinbarung“ gestrickt wurde, die festlegt, was geht und was nicht.
Was geht: Maximal drei Hunde an drei Tagen die Woche mitbringen, aber nicht mehr als ein Tier pro Büroraum. Den vierbeinigen Freund an internen Meetings teilhaben zu lassen ist okay, bei externen muss er leider draußen bleiben.
Was nicht geht: ungesunde, ungeimpfte, unversicherte Hunde. Die Arbeitszeit zur Hundebespaßung nutzen, diesen in Gemeinschaftsräume, wie die Küche, bringen, Bürogeschirr für das Tier verwenden, unangeleint durch den Flur spazieren. Große oder gefährliche Hunde sind untersagt – auch solche, die sich nicht zu benehmen wissen. Und: Nasser Hund ist nicht. „An Regentagen muss Mina zu Hause bleiben, weil feuchtes Fell doch sehr geruchsintensiv sein kann“, erklärt Neugebauer. „Wichtig ist auch, viel mit den Kolleginnen und Kollegen zu kommunizieren, was für sie in Ordnung ist oder stört.“ Negatives drang Neugebauer bislang noch nicht ans Ohr. Mina und sie (und jetzt auch das Kollegium) sind ein eingespieltes Team.
Das gilt auch für Aly und Martin Rozinski. Letzterer ist bei der WISTA Plan GmbH für die Liegenschaften zuständig. Dabei hat die knapp zwei Jahre alte Mischlingshündin Aly eine steile Lernkurve hinter sich. Seit Anfang April lebt sie bei Rozinski. Ihr halbes bisheriges Leben hatte sie sich auf den Straßen belarussischer Städte durchgeschlagen, bevor sich eine Tierschutzorganisation ihrer annahm, von der sie Rozinski bekam. „Sie musste sozusagen erst Deutsch lernen und erzogen werden“, erzählt er.
Was im Schnelldurchlauf so gut klappte, dass Aly sofort zum braven, wohlsituierten Büroliebling avancierte. „Sie ist lieb, offen, zutraulich und für viele eine schöne Abwechslung im Arbeitsalltag. „Aly ist ein echter Gute-Laune-Faktor“, berichtet Rozinski. An vier Tagen in der Woche kommt sie mit und sogar zu Außenterminen, die natürlich besonders spannend sind. Denn nichts geht über Gassigehen. Was auch dazu führen kann, dass Aly mitunter bockt, wenn sie wieder ins Büro oder die Wohnung muss. Inzwischen wird nicht nur die Hündin, sondern auch Rozinski mit „Hey, Aly“ begrüßt. Die Integration ist geglückt. Das auch, weil Rozinski vorher seine Zimmer- beziehungsweise Bürokolleg:innen gefragt hat, ob ein Vierbeiner okay ist und ob es etwaige Ängste oder Befürchtungen gibt.
So haben es auch Anja Nienbarg und Stefan Bloschies gehalten, obwohl sie Geschäftsführer:innen der zielgruppe kreativ Gesellschaft für Marketing und Kommunikation mbH sind: „Als Chefs wollten wir den Hund nicht einfach den Mitarbeitenden ‚aufdrücken‘“, sagen sie. „Wir waren uns im Klaren, dass nicht alle Kolleg:innen unbedingt große Hundefans sind.“ Etwa passionierte Jogger:innen, die aufgrund schlechter Erfahrungen teilweise ein etwas angespanntes Verhältnis zu freilaufenden Hunden pflegen. Doch mit Paula, so heißt der Golden Retriever des Paares, hat niemand ein Problem. „Sie ist von einem ausgeglichenen, ruhigen Gemüt, aber immer sehr aktiv“, berichtet Bloschies. „Eine absolute Faszination üben Bälle jeglicher Art auf sie aus: Wenn sie einen sieht, ist sie gänzlich aus dem Häuschen und spielt und spielt und spielt …“ Wenn sie noch dazu eine:n menschliche:n Spielkamerad:in findet, ist das Glück für die Hündin perfekt.
Im Büro wird nicht getobt: Paula läuft viel herum, ohne zu stören. Oft liegt sie auch einfach unter einem Tisch. Nienbarg: „So wie wir es erleben, macht ihre Präsenz den Alltag um einiges angenehmer und entspannter – sowohl für uns, für die allermeisten Mitarbeitenden als auch für sich selbst!“ Paula ist im Schnitt an zwei bis drei Tagen je Woche in der Agentur. Manchmal sei sie sogar ein richtiger „Eisbrecher“, der zwischen Mitarbeitenden vermittelt und die sozialen Kontakte fördert. „Gerade weil Paula viel Ruhe ausstrahlt, wirkt sie besänftigend auf Menschen“, erklärt Bloschies. „Das ist besonders wichtig bei stressigen Terminen oder schwierigen Gesprächen.“ Die Leute verbringen einfach eine kurze Zeit mit dem Tier, schauen ihm beim Spielen zu und vergessen so die Hektik für einen Moment. „Das gilt im Übrigen auch für Kund:innen, die uns in der Agentur besuchen“, sagt Nienbarg.
Tatsächlich haben Tiere fast schon etwas Therapeutisches. „Streicheln reduziert Stresshormone“, zitiert Neugebauer Studien. Ein Effekt, für den es allerdings keiner wissenschaftlicher Nachweise bedarf: Sie und ihre Kolleg:innen spüren das jeden Tag aufs Neue. „Keine Frage, ein Tier bereichert den Alltag, auch im Büro, und sorgt für eine schöne Atmosphäre“, betont Karin Neugebauer.
Chris Löwer für Adlershof Journal