Umweltschonend bauen
Die Ansprüche an energieeffiziente Gebäude wachsen auch im Industriebau
Die öffentliche Debatte zu Jahresbeginn, ob Einfamilienhäuser eine sinnvolle Art der Wohnbebauung sind, hat den Fokus auf einen oft wenig beachteten Aspekt der Nachhaltigkeit gelenkt: den Flächenverbrauch. Jedes Jahr zwischen 1992 und 2018 wurden in Deutschland im Schnitt 178 Quadratkilometer zubetoniert, eine Fläche von 13,4 mal 13,4 Kilometern – mit Gebäuden oder Infrastruktur. Das bewegt auch Jens Wollschläger. Er ist Leiter des Geschäftsbereichs Berlin-Brandenburg beim Unternehmen Freyler-Industriebau.
Für ihn beginnt nachhaltiges Bauen mit einer guten Planung: Nur so viel Gebäudefläche wie nötig, um die gewünschten Funktionen unterzubringen. „Unsere erste Aufgabe ist es, den Bedarf des Bauherrn zu analysieren und zu fragen: Brauchen Sie das wirklich?“, berichtet der gelernte Architekt. Zusammen mit allen, die im Neubau ihren Arbeitsplatz haben werden, gelte es dann, intelligente Konzepte zu entwickeln.
Das heißt zum einen, das Gebäude klug zu gliedern: „Je verspielter und kleinteiliger, desto energieaufwendiger, sowohl im Bau als auch im Betrieb“, erläutert Wollschläger. Zum anderen sollte man schon zu Beginn eine spätere Umnutzung mitdenken. Nicht jeder Büroraum wird womöglich in fünf Jahren noch gebraucht – das habe man jetzt in Pandemiezeiten gesehen. Also gilt es, Flexibilität zu ermöglichen, indem die Grundstruktur des Gebäudes und das Tragwerk so gestaltet sind, dass die Aufteilung und Nutzung innen variabel ausgeführt werden können.
Wenn es an die Umsetzung geht, sind Wärmedämmung und Haustechnik die größten Stellschrauben in Richtung mehr Nachhaltigkeit. Die Hülle des Gebäudes muss im Winter vor Kälte schützen und in zunehmend heißeren Sommern vor Hitze. Was hierbei die Fassade nicht leisten kann, müssen Heizungs-, Lüftungs- und Klimaanlagen übernehmen. Eine wichtige Strategie im Gewerbebau ist es, Abwärme aus Produktionsprozessen zum Heizen, zur Warmwasserbereitung oder auch zur Kühlung zu nutzen.
Bei den Fassaden kommt es in puncto Wärmedämmung und Umweltfreundlichkeit sehr auf das Material an. Glasfassaden sind bekanntermaßen beliebt, aber eine energetische Herausforderung. Doch auch sie können in hoher Qualität geliefert werden. Das allerdings ist dann wiederum in der Herstellung aufwendig. Alternativ wird heute gerne Holz ins Spiel gebracht – sowohl zur Konstruktion als auch für Fassaden und Wände. Attraktiv als nachwachsender Rohstoff habe es allerdings ab bestimmten Gebäudegrößen seine Grenzen. Für Industrie- und Gewerbeimmobilien blieben zurzeit daher oft nur die vorgefertigten Sandwichplatten aus Blech mit Schaumstoffkern – auch das nicht optimal in der Herstellung.
Insgesamt gilt: Wer die Betriebskosten niedrig halten will, muss stärker im Bau investieren. Denn je moderner die Systeme, desto teurer. Dass es sich am Ende dennoch rechnet – im Rahmen der möglichen Prognosen für Energiepreise, dafür tragen die Planer von Freyler Sorge. Die öffentliche Hand schafft entsprechende Anreize: Förderprogramme unterstützen Bauherren dabei, bestimmte Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Siegel, die ein bestimmtes Level an Nachhaltigkeit zertifizieren, sind zahlreich. Einen einheitlichen Standard gebe es nicht, sagt Wollschläger: „Für uns im Gewerbebau sind die Kategorien der KfW-Bank maßgeblich, denn deren Förderprogramme sind beliebt und an das Einhalten bestimmter Energiestandards gebunden.“
Freyler selbst hat im vergangenen Jahr einen Neubau auf dem Groß-Berliner Damm bezogen – selbst gebaut, aber für einen anderen Bauherrn. Bei dem ist das Unternehmen nun Mieter. In puncto Nachhaltigkeit sei das Gebäude guter Standard, aber auch nicht mehr. Zumal es im November 2020 eine weiter verschärfende Novellierung der Norm gab. Die zu unterbieten, werde immer schwerer, sagt Wollschläger.
Außer Acht lassen sollte man auch nicht den Außenbereich. Ausreichende und gezielte Begrünung dient etwa dazu, Regenwasser genügend Versickerungsfläche zu bieten. Übrigens auch am Gebäude selbst: Bei Dachflächen von Gewerbeimmobilien ist die Begrünung schon jetzt ein gerne genutztes Mittel. Der Effekt: Schutz vor Erwärmung und damit ein besseres Mikroklima. Außerdem fließt Regenwasser langsamer ab, das kann dann später im Boden besser versickern. Ähnliche Effekte lassen sich auch mit Fassadenbegrünung erzielen.
Was passiert, wenn ein Gebäude in seiner jetzigen Form ausgedient hat? Umbau und Sanierung müssen projektbezogen geprüft werden, sagt Wollschläger. „Einerseits wurde da schon viel Energie reingesteckt, andererseits sind Abbruch und Entsorgung nicht unproblematisch und ebenfalls kostenaufwendig.“ Auch der kulturelle Aspekt dürfe nicht außer Acht gelassen werden, im Sinne einer Würdigung dessen, was Menschen mal geleistet haben. Auch das gehört zur Nachhaltigkeit.
Von Uta Deffke für Adlershof Journal