Universität mit Weltblick
Forschen in Singapore, Erfahrungsaustausch mit Princeton – Strategische Partnerschaften der HU
Jürgen Rabe und Ulrich Horst finden Perspektivwechsel in Forschung und Lehre wichtig. Die zwei Professoren der Humboldt-Universität zu Berlin waren in Princeton und Singapur.
Die Princeton University, die National University of Singapore und die Universidad de São Paolo – das sind klangvolle Namen. Alle drei Hochschulen gehören zu den Spitzenuniversitäten auf ihrem jeweiligen Kontinent – und sie sind strategische Partner der Humboldt-Universität zu Berlin (HU). Dieses Netzwerk baut die HU seit 2012 gezielt aus, denn der Austausch auf internationaler Ebene gehört zu den wichtigen Impulsgebern für eine erfolgreiche zukünftige Entwicklung.
Mit den strategischen Partnerschaften bieten die Universitäten Austausch auf ganz verschiedenen Ebenen: Jährlich werden bilaterale Forschungs- und Lehrprojekte ausgeschrieben und von einer gemeinsamen interdisziplinären Kommission ausgewählt. Bislang haben mehr als 200 Forschende in über 36 Projekten davon profitiert. Es werden gemeinsame Formate in Forschung und Lehre entwickelt. Für Studierende gibt es zehn Austauschplätze pro Jahr und die Möglichkeit, an gemeinsamen Symposien und anderen Veranstaltungen teilzunehmen. Und nicht zuletzt ist auch die Governance- und Verwaltungsebene unter anderem durch gegenseitige Besuche in den angeregten Austausch einbezogen.
Zwei HU-Professoren, die von Anfang an dabei waren, berichten über ihre Motivation und Erfahrungen aus Princeton und Singapur.
Prof. Dr. Jürgen P. Rabe ist Professor für die Physik von Makromolekülen und Direktor des Integrative Research Institute for the Sciences, IRIS Adlershof:
„Die Princeton University gehört sowohl in der Lehre wie in der Forschung zweifelsohne zu den internationalen Top Ten. Wie schafft man es dort, dem erklärten Anspruch gerecht zu werden, Führungspersönlichkeiten auf allen möglichen Feldern – Politik, Wirtschaft, Wissenschaft für die amerikanische Gesellschaft und die Herausforderungen der globalisierten Welt heranzubilden? Darüber wollte ich mehr erfahren. Kontakte zur Universität bestanden schon länger. Im Spring Term 2014 habe ich dann selbst dort geforscht und gelehrt. Da mein Forschungsthema – komplexe Systeme aus optisch und elektronisch aktiven molekularen Nanostrukturen – sehr interdisziplinär ist und viele Bezüge zur Anwendung hat, waren meine Kooperationspartner auf viele Institute verteilt. Mein direkter Gastgeber war Prof. Steve L. Bernasek, in dessen Arbeitsgruppe ich integriert war. Über die Teilnahme an den wöchentlichen Gruppenseminaren habe ich die Studierenden, wissenschaftlichen Mitarbeiter und Gäste mit ihren Projekten kennengelernt, was dann zu vielfältigem Austausch geführt hat. So haben später einige Promovierende meine Berliner Arbeitsgruppe besucht und es gab gemeinsame Publikationen.
Meine bisherigen Auslandsaufenthalte etwa im IBM-Forschungslabor in Kalifornien oder an der ETH Zürich waren vorwiegend der Forschung gewidmet. Nun habe ich zum ersten Mal auch regulär gelehrt. Insbesondere habe ich dabei das amerikanische Original für unser adoptiertes Bachelor/Master-System in der Praxis kennengelernt. Meine Vorlesung habe ich zusammen mit einem Kollegen dort zu einer aktuellen, forschungsnahen Thematik angeboten. Wir haben uns blockweise abgewechselt, wobei der jeweils andere mit im Auditorium saß. Das war auch eine Art Qualitätssicherung, bei der sich alle überzeugen konnten, dass man in Princeton und an der HU auf Augenhöhe forscht und lehrt und man dann als Princetonian auch mal gut für ein Semester an die HU gehen kann.
Unterschiede gibt es natürlich trotzdem. Zum Beispiel darf man in Princeton in seinem Bachelor-Hauptfach nur 50 Prozent der Credits einbringen. Dennoch produziert das System nicht nur Generalisten, sondern auch hochkompetente Fachleute. Bei uns ist der „berufsqualifizierende Abschluss“ noch immer enger gefasst. Hier können die besonders tiefen Einblicke, die die strategischen Partnerschaften bieten, helfen, die richtige Balance zwischen dem Disziplinenübergreifenden und dem Spezialisierten zu finden.”
Prof. Dr. Ulrich Horst ist Professor für Angewandte Finanzmathematik an der Humboldt-Universität zu Berlin:
„Ich hatte schon lange vor den Profilpartnerschaften gute Kontakte sowohl nach Singapur wie nach Princeton. Beim Aufbau der Zusammenarbeit der HU mit der National University of Singapore gehörte ich dann auch zu den ersten Programmteilnehmern. Asien ist generell sehr spannend. Besonders in Singapur sind durch enormes Engagement und beträchtliche Investitionen wunderbare Forschungsbedingungen entstanden, die Spitzenforscher aus der ganzen Welt anziehen. Entsprechend international ist das Flair. Die universitäre Kultur ist enger an das amerikanische System angelehnt.
Der Campus ist ein eigener Stadtteil. Ich habe im ‚Professoren-Ghetto‘ gewohnt, wo man sehr gut umsorgt wird. So kann man sich ganz auf die Forschung konzentrieren. Die Wohnungen befinden sich in unmittelbarer Nähe des Campus. Das sorgt für kurze Wege. Mehrmals war ich für je vier bis fünf Wochen dort und konnte jeweils einen Doktoranden mitnehmen. Auch für die jungen Leute ist es gut und wichtig, sich auf internationalem Parkett bekannt zu machen und Netzwerke zu knüpfen. Künftig wollen wir mit Singapur gemeinsame Master-Arbeiten und langfristig auch Graduiertenkollegs ermöglichen.
Mein wissenschaftlicher Gastgeber war das Risk Management Institut. Dort habe ich unter anderem die systematischen Risiken von Finanzmärkten untersucht. Außerdem interessieren mich Hochfrequenzmärkte, bei denen im Bereich von Nanosekunden Investitionsentscheidungen getroffen werden müssen. Dafür müssen Algorithmen mit sehr einfachen Entscheidungskriterien entwickelt werden. Der Finanzbereich ist für Singapur sehr wichtig. Generell wird dort in meinem Bereich angewandter ausgebildet und geforscht. Im Vergleich zu Deutschland gibt es ein etwas anderes Verständnis von Forschung; bei uns sind die wissenschaftlichen Freiheiten vermutlich etwas größer. Ich finde, es ist eine sehr gute Ergänzung zwischen meiner theoretischen Arbeit in Berlin und dem stärker anwendungsorientierten Fokus in Singapur. Wenn man diese beiden Aspekte zusammenbringt, wird es richtig spannend – wie so oft, wenn man das Beste aus zwei Welten mitnimmt.
Sehr groß sind die Unterschiede übrigens auch in der Freizeit. Aufgrund des tropischen Klimas und der Situation als Stadtstaat gibt es weniger Outdoor-Aktivitäten. Der Besuch im Shoppingcenter gehört zum Beispiel zu den klassischen Freizeitaktivitäten. Die Freizeit so sehr zu organisieren, erscheint uns Europäern oft künstlich. Aber ich habe mittlerweile viele private Kontakte zu Leuten auch außerhalb der Mathematik und die asiatische Küche ist exzellent.”
Aufgezeichnet von Uta Deffke für Adlershof Journal