Vereinte Physik: Wissenschaft kennt keine Grenzen
Die Fachgesellschaften der Physiker fusionierten nach der Wende als Erste – Profiteur ist heute die Forschung am Max-Born-Institut (MBI).
Weltrekorde, wissenschaftliche Höchstleistungen und Innovationen, davon ist im Zusammenhang mit dem Adlershofer MBI oft die Rede. „Wir haben jetzt ein neues 100-Terawatt-System in Betrieb genommen“ sagt MBI-Direktor Wolfgang Sandner. Der Titan Saphir-Laser übertreffe mit 100.000 Milliarden Watt die Leistung aller Kraftwerke der Welt bei Weitem. Allerdings: Weder das Weltenergieproblem lasse sich damit lösen, fügt der Physiker hinzu, noch habe das MBI Probleme mit seiner Stromrechnung, denn die produzierten Hochleistungs-Laserpulse seien extrem kurz. Ihre Dauer läge bei etwa 20 Femtosekunden – also millionstel von milliardstel Sekunden. Das MBI forscht generell mit Laserpulsen zwischen Piko- (billionstel) und Attosekunden (millionstel Teil von billionstel). Der Weltrekord liege derzeit bei 80 Attosekunden und mit Laserforschung in diesem Bereich befinde sich das MBI in der internationalen Spitzengruppe.
ZOS-Nachfolger
Das MBI hat eine traditionsreiche Vergangenheit. Es ist aus dem „Zentralinstitut für Optik und Spektroskopie“ (ZOS) hervorgegangen, das zur DDR-Akademie der Wissenschaften gehörte. Die ostdeutschen Forschungseinrichtungen wurden nach der Vereinigung durch den Wissenschaftsrat auf den Prüfstand gestellt. „Das ZOS war bei der Erzeugung von ultrakurzen Laserpulsen im Bereich von Femtosekunden auch im internationalen Maßstab konkurrenzfähig“, sagt Sandner. So konnten viele Mitarbeiter ins Anfang 1992 gegründete MBI übernommen werden.
Weltweit größte Physikerorganisation
„Als rationalen Prozess“ sieht Sandner die Neuformierung. Er wechselte 1993 von der US-Universität von Tennessee nach Adlershof und wurde 1994 zudem Physikprofessor an der TU Berlin. Seit April 2010 ist der heute 61-Jährige Präsident der Deutschen Physikalischen Gesellschaft (DPG). Die DPG hatte sich am 20. November 1990, nur ein Jahr nach der Wende, mit der Physikalischen Gesellschaft der DDR vereinigt und wurde so zum Vorreiter der naturwissenschaftlichen Fachorganisationen. „Unter Physikern stimmt eben die Chemie“, erklärte Sandner diesen historischen Prozess bei der Feier zu dessen 20. Jahrestag. Heute ist die DPG mit mehr als 59.000 Mitgliedern die weltweit größte Physikerorganisation. Neben Akademikern gehörten ihr auch viele Physiker an, die in der Industrie, etwa in Chemie, Photovoltaik oder Datenverarbeitung, tätig seien. Diese Zusammensetzung sieht Sandner in der Wissenschaftsstadt Adlershof gespiegelt.
Kooperationen Wissenschaft - Wirtschaft
Von der fruchtbaren Zusammenarbeit zwischen Wissenschaftseinrichtungen und Unternehmen profitiert auch das MBI, das zwar Grundlagenforschung betreibt, jedoch die praktische Anwendung stets im Auge hat. Etwa wenn ultrakurze hochenergetische Laserpulse auf wenige Nanometer dicke Diamantfolien treffen. Dabei lassen sich derzeit etwa zehn bis 12 Prozent der Laserenergie auf die Kohlenstoffatome übertragen. „Mit dieser Effizienz halten wir zurzeit den Weltrekord in der Beschleunigung von Teilchen mit Laserlicht“, sagt Sandner. Denkbar ist, dass die kompakten Laserapparaturen einmal die groß dimensionierten konventionellen Teilchenbeschleuniger ersetzen können. Für medizinische Anwendungen, etwa zur Therapie von Tumoren, müsste man aber Teilchen mit noch enger begrenzter Energieverteilung erzeugen. „Daran arbeiten wir“, erklärt der MBI-Direktor.
von Paul Janositz