Was uns zur Arbeit motiviert
Von Ralf Grötker, Journalist und Wissenschaftsautor für Sozialwissenschaften, Wirtschaft und Kultur
Krankenschwester, Erzieher, Kindergärtnerin, Friseur – alle diese Berufe sind relativ schlecht bezahlt. Und: „Alle diese Tätigkeiten haben gemeinsam, dass sie als unmittelbar sinnvoll erfahren werden“, stellt der Hamburger Soziologe und Unternehmensberater Bernd Vonhoff fest, der vor Kurzem ein Ratgeberbuch mit dem Titel „Erfolgsfaktor Sinn“ geschrieben hat. „Auf der anderen Seite“, sagt er, „gibt es Tätigkeiten, die so unattraktiv sind, dass sie nur über ein hohes ‚Schmerzensgeld‘ aufgewertet werden. Börsen-Broker etwa.“
Über das konkrete Beispiel mag man streiten. Nicht jedoch darüber, dass Entlohnung nur ein Aspekt unter vielen ist, die zu Arbeitsmotivation und -zufriedenheit beitragen. Das legt auch der Deutsche-Gewerkschaftsbund-Index „Gute Arbeit“ nahe: eine kontinuierlich angelegte wissenschaftliche Studie zur Arbeitszufriedenheit. Basierend auf Kriterien, die selbst das Resultat von Umfragen sind, wird hier abgefragt, in welchen Aspekten des beruflichen Lebens die Ansprüche der Arbeitnehmer besonders gut oder schlecht erfüllt werden. Neben dem Einkommen geht es unter anderem um Kollegialität, Möglichkeiten für Kreativität, die Betriebskultur und den Sinngehalt der Arbeit.
Ein Befund der Studie: Metall- und Chemieindustrie stehen ganz oben in der Arbeitszufriedenheitsskala. Ganz unten: öffentliche Verwaltung sowie Erziehung und Unterricht. Im oberen Drittel sind die Finanzdienstleister angesiedelt.
Ganz so arg, dass nur ein enormes Schmerzensgeld Bankern und Fondsmanagern ihren Job erträglich macht, ist es also nicht. Vieles spricht dafür, dass es sich eher andersherum verhält: Die hohen Gehälter selbst sind der Grund dafür, dass manchen Branchen gewissermaßen die Lust am Arbeiten vergangen ist. Dazu eine Anekdote. Vor ungefähr zehn Jahren führte die Gemeinde Wolfenschiessen in der Nähe von Luzern eine Volksabstimmung zur Lagerung von Atommüll durch. Wirtschaftsforscher begleitete die Abstimmung mit einer Umfrage. Es stellte sich heraus: Mehr als die Hälfte aller Wolfenschiessener willigten in die Müll-Lagerung ein. Aber als man den Bürgern Geld als Entschädigung bot, waren es nur noch ein Viertel. „Crowding-out-Effekt“ nennen die Wirtschaftsforscher dieses Phänomen: Eine ursprünglich vorhandene innere Motivation wird zunichte gemacht, indem man Menschen extra belohnt – was dazu führt, dass sie ihr Interesse verlieren. Dieser Prozess ist irreversibel.
Der Crowding-out-Effekt kann leistungsorientierter Bezahlung, wie sie mittlerweile in vielen Unternehmen üblich ist, einen Strich durch die Rechnung machen. Dies gilt umso mehr, als hier kaum tatsächlich nach Leistung bezahlt wird. Bekanntermaßen ist der Beitrag des Einzelnen für den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens nur schwer zu messen und zu kontrollieren. Deutliche Unterschiede zwischen den Gehältern dienen deshalb vor allem auch dem Zweck, einen Wettbewerb zu entfachen und so den Einzelnen zu Höchstleistungen zu motivieren.
So die Theorie. In der Praxis verhält es sich oft anders. Der Ökonom Bruno Frey hat vor Kurzem die Daten für 1.040 Spieler der deutschen Fußball-Bundesliga über acht Spielzeiten hinweg ausgewertet. Zusätzlich wurden Daten der amerikanischen Basketball-Profiliga NBA analysiert. Dem Marktwert der einzelnen Spieler wurden individuelle Leistungsdaten gegenübergestellt wie die Zahl von Toren und Torvorlagen, Ballkontakten und Zweikämpfen.
Das Ergebnis: Jene Spieler, die ein geringeres Einkommen hatten als der Durchschnitt ihrer Mannschaft, erbrachten deutlich weniger Leistung als solche, die mit der gleichen Gehaltssumme in anderen Mannschaftskonstellationen spielten. Darüber hinaus ließ sich beobachten, dass selbst die Leistung von Stars mit überdurchschnittlichem Einkommen durch hohe Differenzen im Team gemindert wurde – vermutlich durch die schlechten Vorlagen der demotivierten Kollegen.
Untersuchungen, die sich mit dem Zusammenhang von Teamleistung und Managervergütung in Unternehmen befassen, bestätigen den Befund: Unter Umständen führt eine steilere Gehaltsleiter zu schlechterer Kooperation. Das deutet darauf hin, dass es auch in Zeiten der Netzwerkökonomie überhaupt noch Unternehmen mit Angestellten braucht und nicht nur lose miteinander verbundene Selbstständige: Unternehmen können ihren Mitarbeitern andere Anreize bieten als das blanke Gehalt. Und indem sie den Druck des Wettbewerbs, der auf dem freien Markt herrscht, nach innen abschwächen, machen sie Kooperation im Team möglich – für viele Produktionsprozesse eine unabdingbare Voraussetzung.
Da sage noch einer, Geld würde keine Rolle spielen.