Wasserstoffüberraschung am BESSY
Elektrolyse gilt als Schlüsseltechnologie der Energiewende zur Erzeugung von Wasserstoff
Mit Elektrolyse lässt sich Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff aufspalten. Damit werden Wind- und Solarstrom speicherbar. Forscherteams in aller Welt suchen nach Möglichkeiten, um die Elektrolyse effizienter zu gestalten. Ein Team aus Österreich hat am Synchrotron BESSY in Adlershof eine aufsehenerregende Entdeckung gemacht.
Ein knappes Jahr ist es nun her. Alexander Opitz, der als promovierter Elektrochemiker an der Technischen Universität Wien forscht, erinnert sich noch ganz genau an die Woche in Berlin. „Wir haben im BESSY im Zweischichtbetrieb rund um die Uhr unsere Experimente durchgeführt“, berichtet er. Zu Fünft waren sie aus Wien und Innsbruck angereist: je ein Elektrochemiker und ein Spezialist für Röntgenphotoelektronenspektroskopie (XPS) für Tag- und Nachtschicht. „Professor Bernhard Klötzer aus Innsbruck hat den Informationsfluss als Bindeglied aufrecht erhalten“, sagt Opitz, „er war es, der im Spektrum auf Anhieb gesehen hat, dass da etwas völlig anders läuft, als wir es erwartet hatten.“
Das Team war nach Adlershof gekommen, um anhand von XPS-Analysen (sie beschreibt die chemische Analyse eines Materials) in der Synchrotronstrahlungsquelle BESSY festzustellen, wie bestimmte Katalysatoren für Hochtemperatur-Elektrolysezellen die Spaltung von Wasser (H2O) in Sauerstoff (O2) und Wasserstoff (H2) unterstützen. Das Interesse der Österreicher galt dabei vor allem einem Material für Elektroden. Es handelt sich dabei um sogenannte gemischtleitende Perowskite; in diesem Fall aus Sauerstoff, Lanthan, Strontium und Eisen. Bei den Versuchen am BESSY hat das Team in Wien vorbereitete Perowskit-Elektroden in Echtzeit beim Elektrolyse-Prozess spektroskopisch untersucht.
„Uns ging es darum, den Einfluss der Polarisation auf die Bindungen an der Perowskit-Oberfläche genauer zu verstehen“, berichtet Opitz – typische Fragen der Grundlagenforschung. Plötzlich jedoch tauchte unter kathodischer Polarisation im Spektrum ein neuer Peak auf. Klötzer erkannte sofort: Hier war Eisen im Spiel! Jeweils unter Spannung „schwitzte“der Perowskit das Metall aus und nahm es wieder auf, sobald keine Spannung mehr anlag. Das Besondere: Mit Austreten des Metalls an die Elektroden-Oberfläche nahm die Elektrolyse Fahrt auf. Die Menge des erzeugten Wasserstoffs stieg rasant.
„Wir haben diesen Effekt als erstes Team in-situ beobachten können – und das völlig ungeplant“, freut sich Opitz. Zwar war schon vorher bekannt, dass auf der Oberfläche von Perowskiten metallische Partikel wachsen können. Doch der positive elektrokatalytische Einfluss war neu. Die Österreicher haben nun eine weitere Messkampagne am BESSY beantragt, um ihre Beobachtung auf verwandte Materialien zu übertragen. Denn der eingesetzte Perwoskit ist zu instabil und zu wenig leitfähig, als dass er im großtechnischen Einsatz für die Kathoden von Hochtemperatur-Elektrolysezellen in Frage käme. Das Potenzial der überraschenden Entdeckung lässt sich wohl nur heben, wenn sie auch an stabileren Elektroden-Materialien auftritt. „Noch sind wir weit von einer Kommerzialisierung entfernt“, räumt Opitz ein.
Neben den alternativen Materialien wollen die Österreicher bei ihren nächsten Messungen am BESSY „auf den zuletzt eingesetzten Elektroden Kohlenstoff-Chemie ins Spiel bringen“, so Opitz. Sollte es gelingen, Wasser und Kohlendioxid (CO2) in der effizienten Elektrolyse gemeinsam zu prozessieren, ließe sich die Erzeugung von Synthesegas (Wasserstoff und Kohlenmonoxid) oder bei herabgesetzten Temperaturen auch von Methan (CH4) auf eine ganz neue Basis stellen. Noch ist das Zukunftsmusik. Doch schon die Ideen zeigen, dass die Österreicher am BESSY eine Entdeckung mit viel Potenzial gemacht haben. Je effektiver die Umwandlung, desto geringer werden künftig die Verluste beim Speichern von Wind- und Solarstrom sein.
Von Peter Trechow für Adlershof Special