Weil es besser ist!
Adlershofer Institute und Firmen zeigen, wie nachhaltiges Wirtschaften geht
Auch ohne politisch vereinbarten Zielen zu folgen, forschen und arbeiten Adlershofer Institute und Firmen nachhaltig. Das gehört gewissermaßen zu ihrer DNA. Wir haben uns umgehört, mit welchen Ideen und Maßnahmen sie dazu beitragen, verantwortungsvoll mit dem Planeten umzugehen.
„Wir forschen für Nachhaltigkeit und forschen nachhaltig“, bringt Karin Haas, Nachhaltigkeitsbeauftragte des Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie (HZB), die Devise des Forschungszentrums auf den Punkt. „Wir verstehen Nachhaltigkeit als einen Prozess, der sich fortlaufend weiterentwickelt“, erklärt Haas. Ein griffiger Satz, der Substanz hat: Denn das HZB hat sich das ehrgeizige Ziel gesetzt, bis 2035 CO2-neutral zu werden.
Um in Sachen Nachhaltigkeit voranzukommen, hat sich vor gut zwei Jahren am HZB ein Umweltteam gebildet. Etwa 50 Mitarbeitende entwickeln gemeinsam kontinuierlich Ideen, wie u. a. die Ökobilanz des HZB verbessert werden kann. So entstehen Vorschläge, die der Arbeitskreis Umwelt aufgreift, prüft und an die Geschäftsführung heranträgt. Ein Prozess, der rasch Früchte trägt: So wird der durch großtechnische Anlagen und Labore recht hohe Stromverbrauch seit Anfang 2020 komplett durch Öko-Strom gedeckt, wodurch jährlich rund 17.400 Tonnen CO2 eingespart werden (bezogen auf das Jahr 2018).
Weiteres ambitioniertes Ziel: „In der Zeit nach der Pandemie sollen Dienstreisen mit dem Flugzeug gegenüber dem Durchschnitt der Jahre 2015 bis 2019 messbar um mindestens 25 Prozent für europaweite und interkontinentale Flüge und um mindestens 75 Prozent bei Inlandsflügen jährlich reduziert werden“, berichtet Haas. Für den Pendelverkehr gibt es am HZB eine elektronische Mitfahrpinnwand im Intranet, ein vergünstigtes Firmenticket für den öffentlichen Nahverkehr und Ladesäulen für Elektroautos. Neben bereits installierten Fahrrad-Reparaturstationen ist es auch geplant, einen betrieblichen Fahrradkoordinator zu bestellen und sich als HZB als „Fahrradfreundlicher Arbeitgeber“ zertifizieren zu lassen. In Arbeit ist auch, die Standorte naturnah umzugestalten. In Adlershof sollen unter anderem bienenfreundliche Stauden gepflanzt und Nistkästen aufgehängt werden, um einen Beitrag zur Biodiversität zu leisten. Laubsauger sind generell verboten und Laubbläser nur auf Asphalt- und Betonflächen erlaubt.
Wie Forschung an sich zu einem nachhaltigeren Lebensstil beiträgt, zeigt das Kompetenzzentrum Photovoltaik Berlin (PVcomB) des HZB: Hier werden Dünnschicht-Photovoltaiktechnologien und -produkte gemeinsam mit der Industrie entwickelt. „Wir betreiben angewandte Forschung, die auf den Technologie- und Wissenstransfer mit industriellen Partnern ausgerichtet ist“, er läutert Björn Rau, stellvertretender Leiter des PVcomB. Eine Spezialität sind Solarmodule, die unauffällig in Fassaden integriert werden, was deren Akzeptanz bei Architekten und Bauherren erhöht. Wie das aussieht und sich vor allem in der Praxis bewährt, lässt sich neuerdings an einem HZB-Neubau, der sogenannten Testinghalle bei BESSY II, studieren – die Solarmodule schimmern in kräftigem Blau und sind als solche kaum zu erkennen. Die Wissenschaftler/-innen erforschen nun unter realen Bedingungen, wie gut diese Lösung auf lange Sicht funktioniert. Dabei werden sie Erkenntnisse gewinnen, die sie auch im Rahmen der HZB-eigenen „Beratungsstelle für bauwerkintegrierte Photovoltaik (BAIP)“ bei individuellen Beratungen und speziellen Fortbildungen zu innovativen Fassadenlösungen an Fachleute aus Architektur, Planung und Bau weitergeben. Denn: „Meist fehlt es nicht an der Technologie, sondern am Wissenstransfer“, bemerkt Rau. „Uns geht es darum, eine Brücke zu schlagen zwischen der Bauwelt und Innovationen der Photovoltaik.“ Beraten wird neutral und kostenfrei.
Allein schon durch das Geschäftsmodell leistet auch die FUSS-EMV GmbH, ein Spezialist für die Entwicklung und Herstellung von Spezialfiltern zur Dämpfung elektromagnetischer Störungen leistungselektronischer Geräte, einen Beitrag zu nachhaltigerem Wirtschaften: „Zum einen sind wir spezialisiert auf Problemlösungen für Systeme zur Erzeugung erneuerbarer Energien. Und zum anderen entwickeln und fertigen wir in Deutschland, was kurze Lieferwege garantiert“, erklärt Geschäftsführer Volker Keddig.
Das Adlershofer Unternehmen hat am Berliner Programm für Nachhaltige Entwicklung (BENE) teilgenommen und verringert sein CO2-Äquivalent um rund 38,6 Tonnen jährlich. Die 6.500 Quadratmeter großen Büro- und Fertigungsflächen werden mit Erdwärme versorgt, was, wie Keddig berichtet, zu 80.000 Tonnen weniger CO2-Ausstoß im Jahr führt. Überdies erzeugen Photovoltaikanlagen auf Dächern und in der Fassade jährlich 100.000 kWh grünen Strom, der unter anderem in das erste Elektrofahrzeug der Firmenflotte fließt. Jüngstes Projekt: Sämtliche Leuchtmittel im Unternehmen wurden erneuert, was zu einer Stromeinsparung von 40.000 kWh im Jahr führt.
Was wünscht sich Keddig in Sachen Nachhaltigkeit vom Standort Adlershof? Wo sieht er Verbesserungsbedarf? „Bei einer Optimierung des Straßenverkehrs. Hier sollte Adlershof beispielgebend sein“, sagt er. Generell sollte hier wie in ganz Berlin das Radwegenetz ausgebaut werden: „Die Qualität der Fahrradwege in der Stadt ist viel zu schlecht: Löcher, lockere und fehlende Steine, hochstehende Baumwurzeln – alles Unfallquellen.“ Gut wäre auch, Fahrradfahrten zur Arbeit steuerlich zu fördern, schlägt Keddig vor. Das würde womöglich ein großes Adlershofer Nachhaltigkeitsmanko mildern: „Die täglichen Staus von 14 bis 17 Uhr am S-Bahnhof Adlershof sind dem Standort unwürdig“, ärgert sich Keddig. „Die Autos stehen und blasen Abgase in die Luft. Durch umweltgerechte Steuerungen in den Verkehrsleiteinrichtungen und dem angepassten Ausbau der Straßen und Wege kann das leicht verhindert werden.“ Das Problem geht die Standortbetreibergesellschaft WISTA Management an, die am Mobilitätskonzept Adlershof 2030 arbeitet.
Von Chris Löwer für Adlershof Journal