Weltmarkt-Pionier
Felipe Stark versorgt drei Kontinente mit „Störschreibern“
Die Waschmaschine war ein Schnäppchen. Sofort kaufen und wegschaffen, so viel war klar für Felipe Stark. Fragte sich nur, wie. Stark entschied sich für die Straßenbahn als Transportmittel. Zusammen mit einem Bekannten schleppte er das Trumm zur Haltestelle, hievte es in die Tram, wuchtete es in seine damalige Wohnung in Lichtenberg. „Kein Berliner hat was gesagt“, wundert sich Stark noch heute. Nur eine Frau habe einer Bekannten gleichmütig am Handy mitgeteilt, da seien schon wieder Leute mit einer Waschmaschine in der Straßenbahn. Das ist Berlin: „Eine fantastische Stadt“, schwärmt Stark.
Der Mann muss es wissen, er ist in einigen Weltgegenden herumgekommen in seinen 29 Lebensjahren, in Städten ganz unterschiedlicher Größe. Geboren und aufgewachsen in Belo Horizonte, Hauptstadt des brasilianischen Bundesstaates Minas Gerais, vier Millionen Einwohner. Eine Zeit Austauschschüler im texanischen Corpus Christi, gut 300.000 Einwohner. Ein Semester Elektrotechnik an der Fachhochschule in Schmalkalden, 30.000 Einwohner. Jetzt sitzt der Diplomingenieur in einem spartanisch anmutenden Raum im dritten Geschoss des Gründerzentrums in der Rudower Chaussee. Sitzecke, Schreibtisch, Computer, weiße Wände. Der einzige Schmuck ist die Miniaturbüste eines bärtigen griechischen Philosophen, die Stark – „Ich liebe Griechenland!“ – als Andenken an einen von dort stammenden Kollegen aufbewahrt.
Von diesen paar Quadratmetern einer Adlershofer Büroetage aus werden Europa, Afrika und Asien mit Störschreibern versorgt. Hier ist Stark für derzeit zwei Mitarbeiter der Chef – auch wenn er sich lieber „Büroleiter“ als „Geschäftsführer“ nennen lässt. Hier schrauben sie in einem Nachbarraum auch die Störschreiber zusammen. Rechteckige, flache, schwarze Kästen, gespickt mit den unterschiedlichsten Kabelsteckern. Benötigt wird das Gerät in Umspannwerken. Es zeichnet den Elektrizitätsfluss auf, registriert Störungen, ermittelt Fehlerquellen. Entwickelt hat es eine kleine Elektronikfirma im Süden Brasiliens, die 2010 beschloss, zwei Auslandsbüros zu gründen, um auf den Weltmarkt vorzustoßen. So kam Stark nach Adlershof, anfangs noch als einsamer Pionier.
Mittlerweile lebt er in seiner vierten Berliner Wohnung und hat sich akklimatisiert. In seinem Bekanntenkreis sind die Brasilianer zur Minderheit geworden, und seit er eine Bezugsquelle für Maniokmehl entdeckt hat, muss er nicht einmal mehr auf das geliebte Pão de Queijo verzichten. Pão de Queijo, wörtlich „Käsebrot“, ist eine Spezialität aus Minas Gerais. Der Teig besteht aus dem Mehl der Maniokwurzel, Sahne und Käse. In Brasilien verwendet man einen besonderen weisen Hartkäse. In Berlin hat Stark entdeckt, dass es mit geriebenem Emmentaler auch geht. Bis nach Taiwan haben ihn seine Dienstreisen bereits geführt. Nur ins baden-württembergische Unterensingen hat er es von Berlin aus noch nie geschafft. Von dort war um 1920 der Großvater nach Brasilien ausgewandert.
Von Winfried Dolderer für Adlershof Journal