Wer trägt das Risiko?
Mitarbeiterbeteiligung in Unternehmen
Unternehmer oder Arbeitnehmer, wer hat wirklich den Schwarzen Peter, ökonomisch gesehen, wenn es schiefgeht? Antwort geben Berliner und Wiener Finanzforscher, die die Risikobeteiligung innerhalb von Unternehmen untersuchen.
„Das Familienunternehmen in Warroad, Minnesota, das während dieser Rezession nicht einen einzigen seiner 4.000 Beschäftigten entlassen hat, auch nicht, als seine Wettbewerber Dutzende von Fabriken geschlossen haben, auch nicht, obwohl es für die Eigentümer den Verzicht auf Vergünstigungen und Verdienste bedeutete, – das gibt mir Hoffnung, denn sie haben verstanden, dass die Community und die Arbeiter, die dazu beigetragen haben, das Unternehmen aufzubauen, ihr größtes Kapital sind.“
Ideologie in der Wirtschaftspolitik
Dieses Zitat von US-Präsident Barack Obama aus dem Jahr 2012 ist für Alex Stomper ein exzellenter Aufhänger für seine aktuelle Forschung. Im Rahmen des Sonderforschungsbereichs SFB 649 „Ökonomisches Risiko“ untersucht der Professor für Finanzwirtschaft von der Humboldt-Universität zu Berlin zusammen mit dem Postdoc Daniel Rettl und Josef Zechner, Professor an der Wirtschaftsuniversität Wien, wie sich das ökonomische Risiko zwischen Unternehmer und Arbeitnehmer aufteilt. „Das ist eine der großen Fragen, die uns in der Betriebswirtschaft immer wieder umtreiben“, sagt Stomper. „Und das ist auch ein wichtiger ideologischer Punkt. Wir haben viel Ideologie in der Wirtschaftspolitik, die darauf aufbaut, dass die Unternehmer die Risikoträger sind. Zu überprüfen, wie stichhaltig diese Ansicht ist, ist auch politisch wichtig. Dazu möchte ich einen Beitrag leisten.“
Dabei wollen die Forscher mit ihrer jetzigen Arbeit die Perspektive erweitern. Sie sehen nicht nur eine Firma alleine, sondern begreifen sie als Teil einer industriellen Branche, in der sich viele Unternehmen mit ihren Entscheidungen gegenseitig beeinflussen und damit auch das Risiko teilen. In Obamas Beispiel hätten also die Unternehmen, die ihre Fabriken geschlossen haben, möglicherweise auch einen Beitrag dazu geleistet, dass die Beschäftigung im Familienunternehmen gesichert werden konnte.
Studie über Elektrizitätserzeuger
Um dieser Hypothese nachzugehen, haben sich die Forscher um Stomper in den vergangenen zwei Jahren exemplarisch eine Branche sehr detailliert angeschaut, nämlich die der Elektrizitätserzeuger. In aufwendiger Arbeit haben die Forscher Datensätze von Unternehmen aus weltweit 40 Ländern aufbereitet.
Die Finanzwissenschaftler sehen sich die Entwicklung von Beschäftigtenzahlen, Lohn und Dividenden an, wobei die ersten beiden Maße betrachtet werden, um das Risiko der Arbeitnehmer zu messen, das letztere in Bezug auf das Risiko der Unternehmer. Von Interesse war auch, welcher Prozentsatz des Umsatzes jeweils für Lohn- und Dividendenzahlungen aufgewendet wird. Die Entwicklung in den einzelnen Unternehmen wurde in Abhängigkeit von der Flexibilität der Wettbewerber, das heißt dem Reaktionsvermögen etwa auf einen Nachfragerückgang, untersucht. Kraftwerksbetreiber werden zum Beispiel Atomkraftwerke nicht so gerne abschalten, weil das betrieblich aufwendig ist, Gaskraftwerke dagegen schon, weil ihr Betrieb flexibler handhabbar ist.
Unternehmer sind Hauptrisikoträger
„Unsere Ergebnisse sprechen tatsächlich dafür, dass die Unternehmer Hauptträger des Risikos sind“, resümiert Stomper. Mit unflexiblen Mitbewerbern sind die Umsatzerlöse weniger stabil, denn Nachfrageschwankungen, auf die Mitbewerber nicht reagieren, schlagen ungebremst auf das eigene Unternehmen durch. Weniger stabile Umsatzerlöse führen wiederum zu weniger stabilen Dividenden. Die Stabilität von Löhnen ist dagegen weniger stark betroffen. Wobei unter Löhnen die Gesamtlohnsumme zu verstehen ist, also das Produkt aus Anzahl an Arbeitnehmern und durchschnittlichem Lohn. Stomper: „Wir beobachten aber auch, dass im Falle unflexibler Mitbewerber die Beschäftigung weniger stabil ist. Dieses Beschäftigungsrisiko betrifft offenbar vor allem die schlechter bezahlten Arbeitnehmer und verändert die Stabilität der Lohnsumme daher kaum.“
Von Uta Deffke für Adlershof Journal
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