Wer, wenn nicht wir?
Prof. Felix Ziegler, Institut für Energietechnik, Technische Universität Berlin
Verfolgt man die Energiewirtschaft über die letzten Jahrhunderte, so findet man eine interessante Zeitkonstante: Es dauerte bisher immer etwa 50 Jahre, also zwei Generationen, bis ein Energieträger – Kohle, Öl, Gas – und die dazugehörige Energietechnologie von „nebensächlich“, also mit einem Anteil kleiner als ein Prozent, zu „nennenswert“ – Anteil etwa zehn Prozent – werden konnte. Das ist nicht vergleichbar mit der Geschwindigkeit, in der sich Entwicklungen in den Informationstechnologien vollziehen, aber doch sympathisch: Energietechnik ist mit großen Investitionen verbunden und damit gewissermaßen automatisch „wertkonservativ“. Im Laufe der letzten Jahrhunderte sind genau dadurch die zentralen Strukturen gewachsen, die heute teilweise eine schnelle Umorientierung, die Energiewende, zu behindern scheinen.
Energiewende wird fast ausschließlich mit Stromwende gleichgesetzt. Und hier ging die Einführung neuer Technologien tatsächlich wohl noch nie so schnell vonstatten wie derzeit in Deutschland. Die Ausbreitungsgeschwindigkeit regenerativer Kraftwerke in Deutschland ist überdurchschnittlich hoch. Das betrifft jedoch zunächst nur die Elektroenergie. Dort vollziehen wir tatsächlich eine Wende. Bei der Wärme schauen wir immer noch in dieselbe Richtung. Wir brauchen aber auch die „Wärmewende“ und die „Kältewende“!
Wir glauben, dass der „Standort“ Adlershof diese Wende demonstrieren kann. Dieses Heft beschreibt Details der Konzepte für die Energiezukunft Adlershofs, die zeigen, dass das Wort „Vorreiter“ hier keine leere Phrase ist.
Die Grundstrukturen der laufenden Konzepte erlauben es aber auch, über Adlershof hinauszudenken, sowohl geografisch als auch zeitlich: das beweisen die Beiträge über die Zukunft des Wärmenetzes, über die konkreten Ideen zur Vernetzung und Speicherung von Energie sowie die Zukunft der Photovoltaik. Ich hoffe sehr, dass Sie bei der Lektüre auch spüren, dass die Beschäftigung mit Energie kein rein intellektueller oder asketischer Zeitvertreib ist. Sie ist nicht einfach nur notwendig, sie macht Spaß. Dem amerikanischen Präsidenten Kennedy wird der folgende Ausspruch zugeschrieben: „Wer, wenn nicht wir? Wann, wenn nicht jetzt?“ Auch wenn er Adlershof dabei nicht im Sinn gehabt haben kann, zur Adlershofer Energiestrategie passt der Slogan hervorragend.