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Wie leicht ist es für ausländische Arbeitnehmer:innen, sich in Deutschland einzuleben? Drei Beispiele aus Adlershof
Ohne ihre Mitarbeiter:innen aus der ganzen Welt würden die Institute und Unternehmen auf dem Campus nicht dort stehen, wo sie stehen. Sie sind Teil des Erfolgs. Wie leicht lebt es sich in der Fremde ein? Wo lauern Hindernisse? Wann wird es womöglich allzu typisch deutsch? Wir haben uns umgehört.
Der Krieg hat Nikolaj Koltsov aus seiner Heimat vertrieben. Zunächst flüchteten er und seine Frau aus der Ukraine in die Slowakei, weil dort bereits seit einigen Jahren ihr Sohn lebte. „Leider hatte ich dort fast keine Chance, in meinem Fachgebiet einen Job zu finden“, erzählt der auf organische Synthese spezialisierte Chemiker. Also sah er sich im weiten Radius um. „Glücklicherweise reagierte die Firma ASCA GmbH – Angewandte Synthesechemie Adlershof auf meine Initiativbewerbung“, freut sich Koltsov. „So landete ich in Adlershof und bekam mit 61 Jahren meinen ersten Job im Ausland.“
Gelebte Willkommenskultur widerfuhr Koltsov vom ersten Tag an. ASCA-Geschäftsführerin Christine Wedler kümmerte sich, holte ihren neuen Mitarbeiter vom Berliner Busbahnhof ZOB ab, half bei der Anmeldung und Wohnungssuche. „Dafür danke ich ihr sehr.“ Der Chemiker betont besonders das Engagement von Alexander Ney, der die Gästehäuser bei der IGAFA betreut, wo er derzeit wohnt. „Er macht viel, damit sich seine ausländischen Gäste nicht einsam fühlen und schnell in die deutsche Gesellschaft einleben können“, berichtet Koltsov.
Koltsov schätzt an Berlin, dass es multinational ist, was er täglich spüre: „Allgemein ist eine tolerante und freundliche Haltung gegenüber Ausländer:innen festzustellen.“ Glücklicherweise hat er bereits vor Jahren Deutsch gelernt. „Diese Kenntnisse helfen mir hier natürlich. Außerdem bietet sich jeden Tag die Möglichkeit, meine Sprachkenntnisse zu verbessern.“
Sicher, nicht alles läuft reibungslos, räumt Koltsov ein. Beispielsweise sucht er schon lange nach einem Hausarzt: „Deswegen habe ich Probleme, mir fehlen notwendige Medikamente. Es dauert auch so lange, einen Termin zu bekommen.“ Ein Problem, mit dem er nicht allein ist. Was vermisst er am meisten? „Meine Familie, die immer noch in der Slowakei wohnt.“
So geht es auch Maria Fernanda Rodriguez Salazar. Nur dass ihre Familie in Venezuela lebt. Die junge Frau ist seit Dezember 2022 Sales Managerin bei der LLA Instruments GmbH & Co. KG, einem Anbieter für Sensorsysteme zur Bestimmung von Wertstoffen oder Lebensmitteln. Rodriguez Salazar ging vor 13 Jahren mit einem Abschluss in Internationalem Handel ins Ausland, arbeitete länger in Polen und kam dann nach Adlershof. Das war nicht so einfach für eine Nicht-EU-Bürgerin. Ein halbes Jahr dauerte es, bis alle Dokumente anerkannt waren.
„Schön hier“ und „gut organisiert“ sind Begriffe, die fallen, wenn Rodriguez Salazar ihr neues Wirkungsfeld beschreibt. Trotzdem vermisst sie etwas die südamerikanische Sonne, das kristallklare Wasser und die weißen Sandstrände. Am meisten aber vermisst sie „die Einfachheit und Liebe“ ihrer Familie. „Alle haben Mühe, ihren Lebensunterhalt zu sichern. Und trotzdem sind sie immer noch bereit, mir das Wenige zu geben, was sie haben.“
Aufgrund der instabilen Verhältnisse in Venezuela gibt es für sie jedoch kein Zurück. Dafür genießt sie das kulturelle Leben in Berlin: „Es hat alles, was ich liebe: Kunst, Philosophie und Wissenschaft.“ Was hat sie überrascht? „Dass die Stadt nicht so überfüllt ist wie Paris“, sagt sie. „Deshalb mag ich Berlin, hier kann ich das pulsierende Leben einer Großstadt und gleichzeitig die Ruhe haben, wann immer ich will.“ Was auch daran liegt, dass die Sales Managerin in Friedrichshagen wohnt. „Eine schöne Gegend. Die Menschen hier sind höflich, grüßen und lächeln“, sagt sie. Das passt zu Salazar, die sich selbst als „sehr gesprächig“ beschreibt.
Allerdings, räumt sie ein, muss sie noch besser Deutsch lernen. „Ich denke, dass ich, um mich zu Hause zu fühlen, die Sprache sprechen muss.“ Und sei es, so Rodriguez Salazar, um ein paar Witze in der jeweiligen Landessprache reißen zu können. Was das anbelangt, ist sie jetzt optimistisch gestimmt: „Die deutsche Sprache hat Vokale und auch kurze Wörter, die man sich leicht merken kann.“ Was für den Übergang hilft, ist, dass sie gut mit Englisch weiterkomme und Berlin eine sehr offene und tolerante Stadt sei. Was sie auch an ihren neuen Kolleg:innen merkt, die sich alle um ihre Integration bemühten, sie einbinden, abends einladen und generell sehr nett seien. Von daher gestaltete sich die Einarbeitung reibungslos.
Diese Erfahrung hat auch Anna Dörnfelder, Entwicklungsingenieurin bei der LTB Lasertechnik Berlin GmbH, gemacht: „Dank verständnisvoller Kolleg:innen fühlte ich mich gleich integriert und wahrgenommen“, sagt sie. Dörnfelder kam vor zehn Jahren aus der Ukraine nach Deutschland, hat in Magdeburg Elektro- und Informationstechnik studiert und stieg 2016 bei der LTB ins Arbeitsleben ein.
Abgesehen von leider fast schon üblichen Alltagshindernissen, für die Behörden sorgen, und manch sprachlicher Barrieren ist die Ukrainerin gut angekommen: „Schon zur Zeit meines Studiums hatte ich mich in Deutschland willkommen gefühlt“, berichtet sie. An der Uni gab es interkulturelle Treffen, Hilfen bei Bewerbungsschreiben, kostenlose Deutschkurse und „wirklich unterstützende Professor:innen“, lobt Dörnfelder. So gut ging es in Adlershof weiter: „Mit dem Ausbruch des Krieges in meiner Heimat habe ich eine zusätzliche Welle von Hilfsbereitschaft und Mitgefühl mit meinen Landsleuten gespürt. Das half mir, den Schock zu verarbeiten.“
Ihre Familie, die sie sehr vermisst, wohnt in der Nähe von Charkiw. „Das Haus meiner Eltern ist von russischen Bomben zerstört worden.“ Auch wenn Dörnfelder schon lange in Deutschland lebt, hier Wurzeln geschlagen hat, leidet sie ungeheuer unter den Folgen des Angriffskrieges in der Ukraine. Immerhin kann sie ihre Liebsten unterstützen, soweit das möglich ist: „Das ist schon ein Privileg, dass ich meiner Familie von hier aus helfen kann.“
Chris Löwer für Adlershof Journal