A²-Team hält alles im Fluss
Das Start-up dive solutions simuliert Strömungen mit neuen Algorithmen und sorgt so für freie Abflussrohre und reibungslose Getriebe
Getrieberäder drehen sich, rotbraune, ölig wirkende Flüssigkeit perlt herab, verteilt sich in den Zahnzwischenräumen, bevor sie in wilden Spritzern weggeschleudert wird. Ein anderes Video zeigt blaue Flüssigkeit, wie sie in einen Behälter strömt. Vor dem engen Ausfluss entstehen Wirbel, die sich nach hinten fortpflanzen. Solche anschaulichen Aufnahmen über das Strömungsverhalten präsentiert die im Juni 2018 gegründete Berliner dive solutions GmbH im Internet. Sie beruhen auf Simulationen, erzeugt mit neuartigen Algorithmen, entwickelt mit der Annahme, dass Strömungen als Zusammenspiel von Partikeln angesehen werden können.
„Man kann sich vereinfacht vorstellen, dass die Partikel auf Basis physikalischer Gesetze miteinander agieren“, sagt Maik Störmer, einer der vier Gründer. So lässt sich das Strömungsverhalten schneller, exakter und einfacher erfassen, als es mit der traditionellen Software möglich ist. „Sie kommt in komplexen Systemen an ihre Grenzen, etwa wenn sich Wasser und Feststoffe mischen oder rotierende Komponenten vorhanden sind“, sagt Störmer.
Die Nachfrage nach Simulationen des Strömungsverhaltens ist groß, etwa im Maschinenbau, in der Verfahrenstechnik oder von der Wasserwirtschaft. Typische Beispiele sind Abwasseranlagen, in denen sich immer wieder Feststoffe ablagern. Wie müssen die Systeme ausgelegt werden, um Verstopfungen zu verhindern und Wasser zu sparen? Mit Algorithmen lässt sich berechnen, was sonst mit aufwendigen Experimenten am Ort des Geschehens oder anhand von Modelluntersuchungen geklärt werden muss. „Hydrodynamik ist unser Hauptfokus“, sagt Störmer. Aber auch in der Aerodynamik, etwa in der Autoindustrie oder bei Luft- und Raumfahrt, sieht der Wirtschaftsingenieur viel Potenzial.
Auch wenn es schwierig ist, Algorithmen zu entwickeln, ihre Anwendung muss einfach sein, lautet das Credo der Unternehmensgründer, zu denen neben Störmer die Physikingenieure Pierre Sabrowski und Johannes Gutekunst sowie Felix Pause, Ingenieur für Luft- und Raumfahrttechnik, gehören. So muss man kein Simulationsspezialist sein, um die als „Cloud-Lösung“ verfügbare dive-Software zu nutzen. Derzeit sei das Angebot zwar nur für Unternehmen ausgelegt, doch könne er sich später auch private Nutzung, etwa im Modellbau, vorstellen, erklärt Störmer.
Doch zunächst geht es darum, sich auf dem Markt zu etablieren. Die bisherige Entwicklung ist ermutigend für das dive-Quartett. Ab Oktober 2017 half ein Stipendium von EXIST, dem Förderprogramm des Bundeswirtschaftsministeriums, die Gründung in Angriff zu nehmen. Dann gab es mehrere Erfolge im Rahmen des Businessplan-Wettbewerbs Berlin-Brandenburg. Schließlich konnten die Jungunternehmer auch beim diesjährigen „A² Adlershof Accelerator Smart City“ der WISTA Management GmbH überzeugen und die Berliner Wasserbetriebe für ein Pilotprojekt gewinnen. „Wir simulieren einen Düker, also ein Rohrsystem, das eine Straße unterquert“, sagt Störmer. Die Strömung soll so ausgelegt werden, dass es keine Ablagerungen durch Sedimente gibt.
„Das fünfmonatige Programm bietet auch professionelles Coaching und vermittelt Zugang zu Netzwerken und Kontakten“, sagt Accelerator-Projektmanagerin Yvonne Plaschnick. Auch das ist für die dive-Gründer wichtig, ebenso wie das von der Berliner Sparkasse spendierte kostenlose Raumangebot im trendigen Coworking Space „The Place“ in Berlin-Mitte, das sie sich mit anderen Jungunternehmern teilen. Der nächste Schritt, so Störmer, wird das eigene Büro sein. Vielleicht in Adlershof, aber auf jeden Fall in Berlin.
Von Paul Janositz für Adlershof Journal