Auf dem Weg zum klimaneutralen Flug
Innovatives Projekt für nachhaltiges Kerosin am Helmholtz-Zentrum Berlin gestartet
Die Energiewende im Verkehr ist eingeläutet. Weg von klimaschädlichen Treibstoffen, wie Benzin oder Diesel, hin zu klimaneutralen Antrieben wie Akkus, geladen mit Strom aus erneuerbarer Energie, heißt die Devise. Doch was für Autos oder Schiffe sinnvoll ist, funktioniert bei Flugzeugen nicht. „Die Batterien für Mittel- oder Langstrecken würden viele Tonnen wiegen, zu schwer für Flugzeuge“, sagt Tobias Sontheimer, Leiter der Strategie-Abteilung Energie am Helmholtz-Zentrum Berlin (HZB) und Projektleiter bei CARE-O-SENE (Catalyst Research for Sustainable Kerosene).
Das Projekt mit sieben Partnern aus Wissenschaft und Industrie hat sich die Herstellung von nachhaltigem Kerosin auf die Fahne geschrieben, das der Luftfahrt als klimaneutraler Treibstoff zu Gute kommen soll. Grundlage ist die Fischer-Tropsch-Synthese. Mit diesem von den Chemikern Franz Fischer und Hans Tropsch vor etwa 100 Jahren entwickelten katalytischen Verfahren lassen sich Kohlenwasserstoffe aus Synthesegas erzeugen, einem Gemisch aus Kohlenstoffoxiden und Wasserstoff. Wird der Wasserstoff durch Elektrolyse von Wasser mit Strom aus erneuerbaren Energiequellen hergestellt, gilt er als „grün“. Wird zudem Kohlendioxid verwendet, das schon in der Luft ist, gilt das damit hergestellte Kerosin als nachhaltig. Die dafür notwendigen großen Mengen an erneuerbarer Energie finden sich in Regionen mit viel Wind und Sonne, zum Beispiel in Südafrika.
Das CARE-O-SENE-Projekt erhält im Rahmen der Nationalen Wasserstoffstrategie vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) 30 Millionen Euro. Zudem bringt der südafrikanische industrielle Partner Sasol weitere zehn Millionen Euro ein. Die in Johannesburg ansässige Firma ist auf die Herstellung flüssiger Treibstoffe mittels der Fischer-Tropsch-Technologie spezialisiert.
Weitere CARE-O-SENE-Partner sind das Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme in Dresden sowie das Karlsruher Institut für Technologie (KIT), die Universität Kapstadt, das Cleantech-Unternehmen INERATEC in Karlsruhe und die Sasol GmbH in Hamburg. Das Ziel ist, bis 2025 die Produktion von nachhaltigem Kerosin im industriellen Maßstab vorzubereiten. „Dazu muss die Effektivität der Katalysatoren bei der Fischer-Tropsch-Synthese von derzeit 50 auf 80 Prozent gesteigert werden“, sagt Sontheimer. „Etwa 30 HZB-Forschende, Chemiker:innen, Physiker:innen oder Ingenieur:innen arbeiten daran“, ergänzt Yazmin Lucero Cobos-Becerra. Die Chemie-Ingenieurin koordiniert am HZB alle Projektpartner.
Die Experimente dazu finden in Adlershof statt, im Elektronenenspeicherring BESSY II des HZB. Durch die geräumige Experimentierhalle winden sich dicke, bunte Bündel verschiedenfarbiger Kabel und Schläuche. Die hier erzeugten extrem schnellen Röntgenblitze bieten einzigartige Möglichkeiten, Vorgänge im Innern von Materialien zu analysieren, die oft aus mehreren Schichten bestehen.
„Wie funktionieren Katalysatoren während des Betriebs und was ändert sich, wenn die Katalysatoren beschichtet werden“, sind zentrale Fragestellungen für das CARE-O-SENE-Projekt. „Oft sind die Schichten dichtgepackt und hauchdünn, nur wenige Atomlagen dick“, sagt Catalina Jimenez, an der Technischen Universität Berlin promovierte Werkstoffwissenschaftlerin. Die Forscherin zeigt hinüber zum „Energy Materials In-situ Laboratory“, kurz EMIL genannt. Dort ist auch das im Dezember 2020 gegründete Katalysezentrum CatLab zu Hause, bei dem das HZB mit dem Berliner Fritz-Haber-Institut und dem Max-Planck-Institut für chemische Energiekonversion in Mülheim zusammenarbeitet. Das Ziel ist es, neuartige Dünnschicht-Katalysatoren zu entwickeln, die effektiver arbeiten als die bisherigen Reaktionsvermittler. Mit einer speziellen Methode werden auf die Katalysatoren äußerst dünne Schichten, die im Extremfall nur aus einer Atomlage bestehen, aufgebracht.
„Wir machen Grundlagenforschung, haben dabei stets den Transfer zur Anwendung im Auge“, sagt Jimenez. Da ist es naheliegend, dass auch das CARE-O-SENE-Projekt im CatLab erforscht wird, und zwar bezüglich Druck und Temperatur weitgehend unter realen Katalyse-Bedingungen. „Solche Analysen des Fischer-Tropsch-Prozesses sind komplett neu“, erklärt Sontheimer. Auch deshalb ist der CARE-O-SENE-Stratege optimistisch, dass das angestrebte Ziel – die 80-prozentige Effektivität des Fischer-Tropsch-Katalysators – bis 2025 erreicht werden kann. Der Traum vom klimaneutralen Fliegen wäre dann Wirklichkeit.
Dr. Paul Janositz für Adlershof Journal