Charlottenburger Innovationszentrum freut sich auf neue junge Firmen
Achtjähriger Inkubationszyklus endete mit erfolgreichem Auszug der ersten Gründergeneration
2019 – das war Zeitenwende im Charlottenburger Innovationszentrum (CHIC). Bis zu acht Jahre dürfen junge Unternehmen in dem Haus bleiben. Jetzt ist die erste Acht-Jahres-Phase vorbei und einige Firmen mussten sich aus dem CHIC verabschieden, unter ihnen die Virtenio GmbH und die bitplaces GmbH. Das schafft Platz für Neuzugänge wie die Airxelerate GmbH und Palaimon GmbH.
Wer etwas versendet, will wissen, ob es unversehrt, intakt, frisch und rechtzeitig am Bestimmungsort ankommt. Doch was auf langen Transporten passiert, blieb bisher meist verborgen. Die unscheinbaren kleinen Würfel, die das Unternehmen Virtenio entwickelt hat und produziert – der digitale Bodyguard –, sollen das ändern. Sie funktionieren ohne einen externen Stromanschluss, erfassen völlig autonom für eine sehr lange Zeit Daten und senden diese in eine Cloud. Die gesammelten Informationen gelangen über Satellit direkt zum Produzenten – Temperatur, Feuchtigkeit, Helligkeit, Luftzusammensetzung. So sind Verursacher von Transportschäden leichter zu ermitteln, können Schadensersatzforderungen schneller geltend gemacht werden.
Virtenio wurde 2010 gegründet in einem Einraumbüro der Gründerwerkstatt an der Technischen Universität Berlin (TU). Ein Jahr später bezog es Räume im CHIC. „Für kleine Unternehmen in der Gründungsphase ist die Flexibilität, mit einem Raum zu starten, sehr vorteilhaft“, erklärt Henri Kretschmer, Gründer und Geschäftsführer. „Die Rahmenbedingungen der Mietverträge enthielten für uns ein geringes Risiko. Wenn man mehr Platz benötigt, dann konnten freie Räume hinzugebucht werden. Die vorhandene und nutzbare Infrastruktur im CHIC erleichtert die Fokussierung auf das eigene Kerngeschäft, ohne dass für einen selbst Aufwand und dauerhafte Kosten entstehen.“
Nur Räume mieten, das wäre auch Nina Sifi von Airxelerate zu wenig gewesen. Im Mai 2019 ist das Start-up aus dem Air-Berlin-Umfeld ins CHIC gezogen. Sifi und ihre Kollegen automatisieren mit ihrer Software Geschäftsprozesse für Fluggesellschaften und Touristikunternehmen, erschließen und steuern neue Vertriebskanäle. „Touristik und Fluglinien arbeiten mit unterschiedlichen Systemen und nach unterschiedlichen Logiken. Diesen Technologiesplit wollen wir schließen“, erklärt Nina Sifi. Neben der zentralen Lage und der vorhandenen Infrastruktur im CHIC war es vor allem der Technologiebezug des Zentrums und seiner Mieter, der Sifi zum Einzug bewog. „Das ist ideal für kleine Start-ups.“
Auch Sonja Strothmann findet: „Das CHIC bietet für technologieorientierte Start-ups nicht nur eine gute Möglichkeit, erschwingliche Büroflächen zu mieten und sich mit anderen Start-ups zu vernetzen. Auch die Nähe zur TU Berlin ist praktisch.“
Strothmann ist Geschäftsführerin von Palaimon, einer Ausgründung der Universität Konstanz und ebenfalls seit 2019 im CHIC zuhause. Das Unternehmen forscht und entwickelt im Bereich der künstlichen Intelligenz (KI). Sein Schwerpunkt liegt dabei auf der digitalen Optimierung von Prozessen durch sogenannte Smart Assistants. Die unterstützen Menschen dort, wo Machine-Learning-Algorithmen große Vorteile bieten – bei sich wiederholenden Aufgaben, die über einen langen Zeitraum ausgeführt werden. Beispielsweise bei der Qualitätsüberwachung in Fertigungsprozessen. Durch den Einsatz künstlicher Intelligenz lassen sich so effizient und kostengünstig ganze Prozessketten schrittweise automatisieren. Zurzeit arbeitet das Start-up an der Entwicklung eines Systems, das automatisch den Zustand des deutschen Autobahnnetzes überwacht.
„Schön ist der persönliche Umgang miteinander“, erzählt Strothmann. Als besonders großes Plus empfindet sie die Kantine. „Hier wird noch wirklich gekocht!“
Virtenio hat die „volle Spielzeit“ – acht Jahre – ausgenutzt. „Das Gesamtszenario aus Bürobedarf, Expansionsmöglichkeiten und Kostenniveau war für uns in dieser Zeitspanne im Gleichgewicht. Einen Standortwechsel mit allen Folgeeffekten und Aufwänden haben wir in regelmäßigen Abständen bewertet und sind immer wieder zu dem Ergebnis gekommen, dass wir bleiben“, erklärt Henri Kretschmer die Motivation dahinter. Und ergänzt: „Es hat weitere Vorteile, weil es viele Gleichgesinnte gibt und der Austausch sehr einfach möglich ist. In einem normalen Bürogebäude mit kleinen Einheiten ist das Klima anders. Das wollten wir nicht in der Nachgründungsphase.“
Von Rico Bigelmann für Potenzial – Das WISTA-Magazin