CHIC auf dem Bau
Vier (ConTech)-Start-ups entwickeln digitale Lösungen für die Bauindustrie und -Handwerk
Die Bauindustrie und das Bauhandwerk öffnen sich für digitale Lösungen und Automatisierung, um dem Fachkräftemangel zu begegnen und das Management komplexer Bauprojekte effizienter zu gestalten. Damit tun sich Nischen für Construction Technology (ConTech)-Start-ups auf. Auch im CHIC entstehen neue Ideen für das Bauwesen. Das Spektrum reicht vom sensorgestützten Monitoring von Bauwerkabdichtungen im Hoch- und im Tiefbau über kollaborative Plattformen für Bauprojekte bis hin zu Robotern, die körperlich anstrengende monotone Arbeiten übernehmen.
Die Visoplan GmbH ergänzt ihre Kollaborationsplattform für Bauprojekte durch Virtual-Reality-(VR)-Visualisierung. Dennoch versteht sich das Team um CEO Boris Goldshteyn weniger als VR-Start-up denn als ein Teil der aufstrebenden Construction Technology (ConTech) Branche. Zu ihr zählen Unternehmen, die sich die Modernisierung und Digitalisierung der Bauwirtschaft auf die Fahnen schreiben. Über einhundert solcher Start-ups sind im Bundesverband Digitales Bauwesen (BDBau) organisiert, darunter auch Visoplan. Oft setzen sie auf der Planungsebene an. Dort sorgen sie mit digitalen Plattformen und per Building Information Modelling (BIM) für bessere Kollaboration und Koordination der unterschiedlichen Gewerke, um transparentere und effizientere Prozesse zu etablieren. Andere Teams widmen sich der Automatisierung von klassischen Bauarbeiten. Und auch das sensorische Monitoring fertiggestellter Bauwerke im Hoch- und Tiefbau gehört zum ConTech-Spektrum.
Visoplan macht Planungsfortschritte am digitalen Zwilling geplanter Bauwerke sichtbar, sorgt für automatische Aktualisierung der Projektstände und für deren zweifelsfreie Dokumentation. So haben alle Beteiligten Zugriff auf eine „Single Source of Truth“, statt in isolierten Datensilos nach benötigen Informationen zu suchen. Das senkt den Zeitaufwand und beugt Widersprüchlichkeiten infolge unterschiedlicher Projektstände der verteilten Daten vor. Gerade im Fall von Verzögerungen oder Planungs- und Baumängeln entschärft die Plattform mit ihrer Dokumentationsfunktion Konfliktpotenziale. Statt rückwirkend auf langen Bausitzungen Ursachen und Verantwortlichkeiten aufzudröseln, können sich die Verantwortlichen produktiven Aufgaben widmen. Visoplan ermöglicht es, die ganze Vielfalt an Datenformaten in Bauprojekten in einem standardisierten Common Data Environment (CDE) zusammenzuführen. So ergänzt das Team den BIM-Einsatz durch Workflows, die ein Höchstmaß an Übersicht in hoch komplexe Bauprojekte bringen und dadurch für eine wesentlich effizientere Interaktion der planenden und ausführenden Gewerke sorgen.
Roboter grundiert, spachtelt und streicht
Zur Bauausführung gehören schweißtreibende, zuweilen eintönige Aufgaben. Dazu zählt das Anstreichen endloser Flächen in Hallen oder in sehr großen Gebäuden. Die handwerkliche Kompetenz von gelernten Fachkräften ist beim „Metern“ unterfordert. Ihre feine Hand wird eher benötigt, wo Übergänge und Kanten zu gestalten sind. Gehen die Pläne der jungen ConBotics GmbH auf, dann werden sich Leute vom Fach künftig auf die anspruchsvollen, komplexen Aufgaben konzentrieren, während neben ihnen Roboter die gefühlte oder reale Knochenarbeit übernehmen.
Seit zweieinhalb Jahren treibt das aktuell achtköpfige Team um die Gründer Cristian Amaya Gomez, David Franke und Philipp Heyne Robotiklösungen für die Bauwirtschaft voran. Einen Anstreicher auf Rädern hat das Start-up aus dem CHIC bereits realisiert. Dabei ist Know-how eingeflossen, das das Trio im Maschinenbaustudium an der Technischen Universität (TU) Berlin und am nahen Fraunhofer Institut für Robotik und Automation erworben hat.
„Es geht nicht darum, Handwerker zu ersetzen und Jobs wegzurationalisieren, sondern unsere Roboter sind ein Werkzeug, das ihnen monotone, körperlich anstrengende Arbeiten abnimmt“, sagt Amaya Gomez. Ein verlängerter Arm – den das Team von Grund auf selbst entwickelt hat. Denn für den Einsatz auf Baustellen sind marktübliche Industrieroboterarme zu schwer, zu teuer und für den autonomen Akku-Betrieb zu energiehungrig. Selbst ConBotics optimierter MalerRoboter wiegt trotz konsequentem Leichtbau 130 kg. Um Transporte zu erleichtern, ist er zerlegbar. Die Modularisierung hat einen weiteren strategisch langfristigen Zweck: Die ConBotics-Plattform könnte in Zukunft mit anderen Modulen auch Spachteln, Sandstrahlen oder Bohren und Stemmen.
Angesichts solcher Pläne plant das Start-up personelles Wachstum. Hard- und Softwareentwicklung sollen ebenso verstärkt werden, wie der Bereich Elektronik und Mechatronik. Fünf Stellen sind offen. Das Team hofft, diese zügig mit Nachwuchskräften von der benachbarten TU besetzten zu können. Im Team wirken schon jetzt Studierende mit, denen die Nähe zu Instituten und Hörsälen weite Wege erspart. „Die Lage des CHIC ist für uns perfekt, und wir hätten hier zu dem Preis keine besseren Räume finden können“, freut sich der CEO. Nun steht die weitere Finanzierung auf dem Plan. Aktuell geht es dabei um Förderprogramme der Investitionsbank Berlin (IBB) und Beteiligungen von Business Angels. Auf Dauer wird das kaum genügen. Laut Amaya Gomez gibt es aber bereits Interessensbekundungen für strategische Investments; unter anderem von Farbenherstellern. „Die Branche versteht, dass sie Lösungen braucht, um dem Fachkräftemangel zu begegnen“, erklärt er.
Sensorik gegen Wasserschäden und für den Grundwasserschutz
Während Visoplan und ConBotics Ideen für Bauwerke vorantreiben, die erst in der Entstehung sind, bieten zwei weitere Teams im CHIC Sensorlösungen für fertige Hoch- und Tiefbauten an. Beide sind aus einem Management-Buy-out hervorgegangen und wenden ihre engverwandte Sensorik in unterschiedlichen Märkten an. Die Protectum - Gesellschaft für Monitoring und Leckageortung mbH widmet sich der Dichtigkeit von Flachdächern. Wahlweise sind dazu fest installierte Sensoren im Einsatz oder das Team nutzt seine Sensorlösung, um im Fall von Wasserschäden Lecks in riesigen Dachflächen aufzuspüren.
Gleich nebenan im CHIC baut Marc Schütte die ELD Environmental Leak Detection GmbH auf. Sein Unternehmen nutzt besagtes Verfahren im Sinne der Umwelt. Es prüft, ob jene schweren Kunststofffolien dichthalten, die in Böden unter Klärschlammbecken, Mülldeponien oder in Chemikalienbecken von Rohstoffminen eingebracht werden. Die so genannten Geomembranen stellen sicher, dass weder Deponiegifte noch jene hochgiftigen Zyanid-haltigen Laugen, mit denen Edelmetalle aus zermahlenem Gestein gelöst werden, ins Grundwasser oder in umliegende Gewässer gelangen.
„Noch ist unser Kerngeschäft die Deponie- und Beckenabdichtung“, erklärt CEO Schütte. ELD mit ihrer Technologie im globalen Bergbau zu etablieren, sei sein Ziel. Denn viele Becken sind hier einige Quadratkilometer groß, was das Einsatzfeld für die Dauerlösung zur Leckageüberwachung so attraktiv macht. ELD plant einerseits die Raster, mit denen ihre Sensorkabel unter den Kunststoffdichtungsbahnen verlegt werden und kümmert sich andererseits um die Auswertung der gesammelten Signale. Der kritischste Punkt ist der Einbau der Folien mit schweren Maschinen in oft steinigem Terrain. Kommt es hier zur Beschädigung, ist die Barrierewirkung dahin. Das kontaminierte Wasser kann dauerhaft durchsickern. Schleichende Umweltschäden, denen Schütte mit der Sensorik vorbeugt: Dafür werden eigens für diesen Zweck optimierte elektrisch leitende Messkabel unter den Geomembranen verlegt. Über der Folie verlegen die Berliner Signalkabel. Der in der Regel eingesetzte Kunststoff HDPE dient – sofern er dicht ist – als Isolator. Dringt dagegen an einem Leck Wasser durch, kann der Strom vom Signalkabel in Richtung Messkabel zu einem Erdkontakt fließen. Das führt zum Spannungsabfall in der betreffenden Zone, auf den das Messsystem anschlägt. Mithilfe des jeweils angepassten Kabelrasters kann Schütte die schadhafte Stelle schnell und präzise lokalisieren.
Früher Wünschelrute, heute Hochspannungsbesen
„Wir haben die Pandemiephase genutzt, um unsere Messkabel und auch die Elektrotechnik sowohl technisch als auch mit Blick auf die Kosten weiter zu optimieren“, berichtet er. Vor allem letzteres sei wichtig, um die Kundschaft in aller Welt vom Einsatz der Sensorik und dieser nicht immer vorgeschriebenen Investition in den Umweltschutz zu überzeugen.
Neben den fest installierten Systemen, die dauerhaft für Sicherheit sorgen, ist zuweilen auch bei ELD ein mobiles Messsystem im Einsatz, das im Prinzip wie das Protectum-Verfahren zur Flachdachüberprüfung funktioniert. Ähnlich wie Wünschelrutengänger führt das Team eine Art „Hochspannungsbesen“ über die zu prüfende, ebenfalls isolierende Folie. Liegt unter der Folie ein elektrisch leitfähiges Material, kommt es an undichten Stellen zu messbarem Stromfluss oder am Messbesen bilden sich Funken. Ob Dächer von Flughäfen, Fabriken oder Villen, ob begrünte Dachflächen von Wohn- und Bürogebäuden oder ob Beckenabdichtungen: Schlägt die Messsensorik von ELD und Protectum an, dann wissen Betroffene nicht nur dass, sondern auch wo sie beim Abdichten ihrer Hoch- und Tiefbauwerke ansetzen müssen.
Von Peter Trechow für CHIC!
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www.conbotics.com
PROTECTUM Gesellschaft für Monitoring und Lecktageortung mbH
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10719 Berlin
+49 30 590083-236
info(at)protectum.com
www.protectum.com
ELD Environmental Leak Detection GmbH
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