CHIC gründen im Herzen Berlins
Das Charlottenburger Innovations-Centrum bietet mehr als 60 jungen Unternehmen eine Heimat in der City West
Seit der Eröffnung im Frühjahr 2011 bietet das Charlottenburger Innovations-Centrum (CHIC) Start-ups eine Heimat in der City West. Aktuell arbeiten hier mehr als 60 junge Unternehmen mit 708 Beschäftigten daran, ihre innovativen Geschäftsideen in verschiedensten Zielmärkten zu etablieren.
Für Seriengründer André Glardon ist es eine Rückkehr. Als einer der ersten Mieter zog er 2011 mit der medneo GmbH ins neu eröffnete Charlottenburger Innovations-Centrum (CHIC). Das Start-up und das CHIC schrieben seither Erfolgsgeschichten: Medneo hat heute knapp 500 Beschäftigte und fast 40 Standorte in Deutschland, der Schweiz und UK sowie eine Zentrale in bester Lage am Hausvogteiplatz. Glardon ist mit seinem damaligen Mitgründer Matthias Issing bereits auf neuen Pfaden. Beide nutzen ihr Know-how und ihre Vernetzung im Health- und Finanzsektor, um neue Projekte für eine effizientere, digital unterstützte Gesundheitsversorgung anzustoßen.
Mit ihrer frisch gegründeten roclub GmbH sind sie wieder ins CHIC gezogen. „Dieselben Räume – nur ein Stockwerk höher“, berichtet Glardon. Roclub entwickelt eine digitale Plattform, über die freiberufliche medizinisch-technische Assistent:innen (MTA) von jedem Ort der Welt per Fernzugriff Röntgen-, Tomografie- und andere medizinische Geräte bedienen können. Der dezentrale Pool an spezialisierten Fachkräften hilft Kliniken, die teuren Geräte besser auszulasten, die Qualität ihrer Diagnostik zu steigern und ärgerliche Terminausfälle infolge des Fachkräftemangels zu vermeiden.
Ein Dutzend der momentan gut 60 jungen Unternehmen im CHIC treibt solche Digital-Health-Ideen voran. Darunter die Deep-Tech-Award-Preisträger VISSEIRO und Nostos Genomics. Erste entwickeln ein smartes Kissen, das sensorisch die Vitalfunktionen der darauf sitzenden Person überwacht. Und Letztere nutzt künstliche Intelligenz (KI), um im Erbgut von Patient:innen Mutationen aufzuspüren, die seltene Krankheiten verursachen. Nostos Genomics ist wie einst medneo vom Start-up zum Scale-up gereift – und hat jüngst einen eigenen Firmensitz bezogen.
Die Start-ups im CHIC erwirtschafteten im letzten Jahr mit 708 Beschäftigten mehr als 22 Millionen Euro Gesamtumsatz. Ihre Ideen reichen von Apps für chronisch Erkrankte über eine mobile, digital vernetzte Augenklinik für schwach entwickelte Regionen bis zu Vernetzungslösungen und Software für Kliniken und Krankenkassen. Doch Digital Health ist nur ein Schwerpunkt. Jeweils ein halbes Dutzend Teams treibt digitale Educational Technologies (EdTech) und Lösungen für die Luft- und Raumfahrt voran: Vernetzungsplattformen für Airlines über Embedded Systems für Drohnen bis hin zur Entwicklung von Antriebssystemen oder Kommunikationshardware für Satelliten. Die Nähe zum Campus der Technischen Universität Berlin im Herzen der City West ist dabei ein großer Vorteil. Denn dort finden sie topausgebildete Fachleute und studentische Beschäftigte, die häufig zwischen Firma und Hörsaal pendeln.
Andere CHIC-Teams zielen auf den Maschinen- und Anlagenbau und entwickeln Simulations- und Visualisierungslösungen, mit denen sie Konstruktions- und Fertigungsprozesse in der Industrie oder auch Bauplanungsprozesse unterstützen. Dabei setzen sie ganz selbstverständlich auf KI-Methoden, die helfen, ihre Produkte und Dienstleistungen weiterzuentwickeln.
Laut Befragung erwarten 86 Prozent der Teams dieses Jahr steigende – und weitere neun Prozent konstante Umsätze. Der Pandemie-Pessimismus verfliegt. Der Trend zum Home-Office flaut ab. Das Bedürfnis nach sozialem Austausch ist stärker und kann bald auch im neuen Coworking-Space gestillt werden, den die estnische Innenraum- und Arbeitsplatzdesignerin Urve Liivak gestaltet hat. Die Umbauarbeiten sind fast abgeschlossen und die Eröffnung steht vor der Tür.
Mit ihren Ideen setzen Start-ups wichtige Impulse. Damit sie nicht alle Räder neu erfinden müssen, setzt das CHIC-Leitungsteam, Olivia Budek und Tobias Kirschnick, auf Veranstaltungsformate, die den fachlichen Austausch fördern. „Auch in unsere Cafeteria zieht wieder Leben ein“, berichtet Budek. Die neue Betreiberin möchte dort unter anderem ein Kitchen-Sharing etablieren. Geplant seien neue Eventflächen und die Umgestaltung des Foyers. Außerdem entwickelt sie mit Rawad Chammas, dem Technologietransferspezialisten der WISTA Management GmbH, eine Veranstaltungsreihe für mehr Vernetzung von Start-ups und Beschäftigten aus der Wissenschaft.
Es geht voran an der Bismarckstraße. Rückkehrern wie André Glardon strömt im CHIC Zukunftsgeist entgegen. Zurück in die Vergangenheit geht es dort nur, wenn Teams das wollen. So wie Augmented Robotics in Kinderzimmer zurückkehrt, um analoge Spielzeuge in futuristische Augmented-Reality-(AR)-Welten abzuholen. Oder die Historicity GbR, die Geschichte in Audioguides und AR-Animationen erlebbar macht und so aus längst Vergangenem Zukunft kreiert. Wo ginge das besser als in Berlin!
Peter Trechow für POTENZIAL
WISTA-Innovations- und Gründungszentrum CHIC