Der Entscheidungshelfer
Alan Hambrooks Firma Zoral produziert prophetische Software
Sein Geschäft ist die Zukunft. Oder, um genauer zu sein, die Wette auf die Zukunft, die zum Beispiel eine Bank eingeht, wenn sie Geld verleiht. Verdient der Kunde das Vertrauen? Ist er in der Lage und willens, Monat für Monat Zins und Tilgung zu entrichten? Alan Hambrooks Firma Zoral verkauft die Technologie, die auf solche Fragen die Antwort verheißt.
Gemeinsam mit einem Geschäftspartner betreibt er die Zoral GmbH, die zu Jahresanfang eine Büroetage Am Studio in Adlershof bezogen hat. Ihr Produkt: Computerprogramme, „die menschliches Verhalten vorhersagen können“. Die Methode: Spurensuche im Internet. Wer etwa die Webseite einer Bank aufsucht und dort das Antragsformular für einen Kredit ausfüllt, hat mittlerweile gute Aussichten, mit Zoral-Software in Berührung zu kommen. Vom ersten Klick an.
„Wir beobachten Ihr Verhalten am Bildschirm“, sagt Hambrook. „Klicken Sie dieses oder jenes Feld an? Benutzen Sie eine Maus? Wie alt ist Ihr Computer? Sind Sie bei Facebook? Was posten Sie da? Was gefällt Ihnen? Bestellen Sie Produkte bei Ebay oder Amazon?“ Bis das Onlineformular ausgefüllt ist, hat die Software rund 12.000 Einzelinformationen abgegriffen und weiß die Bank, ob sie es mit einem „Hochrisikokunden“ zu tun hat oder mit einem gewissenhaften Zahler. Eine Versicherung kann absehen, ob der Kunde nach einem Jahr schon den Vertrag wieder kündigt oder treu bleibt. Nützliches Wissen: „Wir helfen Unternehmen, bessere Entscheidungen zu treffen“, sagt Hambrook.
Vorherbestimmt war es ihm nicht, ein ganzes Unternehmerleben mit digitaler Technologie zuzubringen. Der heute 60-jährige gebürtige Londoner ist weder studierter Mathematiker noch ausgebildeter IT-Experte. Gelernt hat er Klassische Gitarre und als junger Mann Konzerte gegeben. Die Lebenswende kam mit der Familiengründung: „Als Musiker bist du dauernd unterwegs. Das ist nett, geht aber nur, wenn du allein bist.“ Hambrook wurde sesshaft und gründete mit einem befreundeten Programmierer 1981 seine erste Softwarefirma. Schon damals mit der Idee, Prognoseprogramme für die Finanzwirtschaft herzustellen.
Zoral, gegründet 2004, ist sein sechstes Unternehmen. Rund 170 Mitarbeiter. Verwaltung und Vertrieb in London. Forschung und Entwicklung in Kiew. Warum Kiew? Wegen der Menschen, sagt Hambrook: „Nirgendwo sonst auf der Welt gibt es so viele Mathematiker und Physiker mit genau den Kompetenzen, die wir für unsere Softwareentwicklung brauchen.“ Ein ähnliches Argument sprach jetzt für Adlershof: „Hier gibt es mehr Leute mit der nötigen Qualifikation als in London.“ Nach drei Umzügen in Kiew ist dort für weitere Ausdehnung kein Platz mehr. Daher die Filiale in Berlin.
Seit 2006 besitzt Hambrook mit seiner Familie eine Wohnung in Tiergarten. Berlin ist preiswerter als London. Berlin hat Kultur und Geschichte. Vor allem: Berlin ist derzeit ein Magnet für junge Talente. Der passende Standort für einen, dessen Geschäftsfeld die Zukunft ist.
Von Winfried Dolderer für Adlershof Journal