Der Kehrenbürger
Kurt Kann-Klara achtet auf Sauberkeit am historischen Flugplatz
Das Werkzeug ist immer dabei. Mülltüte, Handfeger, Schippe im Fahrradkorb verstaut. Dazu die Greifzange, die beim Auflesen störender Gegenstände das Bücken erspart. So ziehen sie Tag für Tag zu dritt los, Zewerino und Bravo, die beiden Hunde, Kurt Kann-Klara, ihr Besitzer. Der hält unterwegs die Augen offen: „Ich sondiere die Gegend, und wenn ich dann was sehe, wird’s mitgenommen.“ Papiertaschentücher, Plastikflaschen, Bierdosen, alles, was im Wald und auf der Heide unschön aussieht. „Das Gute mit dem Nützlichen verbinden“, nennt es Kann-Klara.
Von seinem Haus in der Arthur-Müller-Straße aus hat er das Objekt der Fürsorge stets im Blick, den Landschaftspark mit seiner Steppen- und Buschvegetation, den seltenen Vögeln und Pflanzen, der vor etwa anderthalb Jahrzehnten auf dem Gelände des historischen Adlershofer Flugplatzes entstanden ist. Seit 2006 wohnt Kann-Klara hier auf der Grenze zwischen Johannisthal und Adlershof, und was ihm von Anfang an unliebsam ins Auge fiel, war der Zustand der benachbarten Grünflächen. Glassplitter, Verpackungen, Plastik: „Irgendwann wurde mir der Dreck hier einfach zu viel.“
Zunächst unregelmäßig, seit etwa drei Jahren täglich, dreht Kann-Klara seine Runden, auch inspiriert durch eine Initiative der Berliner Stadtreinigung, die auf einer Webseite unter dem Titel „Kehrenbürger“ um Mithilfe wirbt. Für den heute 66-jährigen gebürtigen Johannisthaler, der sein ganzes Leben im Südosten Berlins, in Schöneweide, Köpenick, jetzt wieder Johannisthal verbracht hat, ist Landschaftspflege in gewissem Sinne ein lebensgeschichtlich tief verwurzeltes Thema.
In jungen Jahren hat er an der Humboldt-Universität zu Berlin Landwirtschaftswissenschaft studiert. Seine Doktorarbeit hatte 1984 die Frage zum Gegenstand, wie sich verhindern lässt, dass Stickstoffdünger auf sandigen Böden bei der Herbstbestellung das Grundwasser verunreinigt. Bis zur Wende war Kann-Klara anschließend im DDR-Ministerium für Land-, Forst- und Nahrungsgüterwirtschaft als Experte für organische Düngung tätig. Er blickt mit gemischten Gefühlen zurück. Überdüngung durch massenhaft anfallende Gülle sei wie auch heute noch ein „Riesenproblem“ gewesen: „Der Boden ist ein lebendes System. Was wir als Nutzende damit machen, ist manchmal als sehr, sehr bösartig einzuschätzen.“
Bislang ist Kann-Klara auf seinen Hunde- und Müllsammel-Runden allein unterwegs. Dass sein Beispiel Schule macht, andere „Kehrenbürger“ sich anschließen könnten, wäre ihm lieb: „Zu DDR-Zeiten hat es ja auch Frühjahrsputzaktionen in den Wohngebieten gegeben. Das ist keine Sache, die neu ist.“ Indes: „Viele sehen nur noch ihre eigenen Probleme.“ Kommunale Aufgaben den zuständigen Behörden zu überlassen, die Sauberkeit im öffentlichen Raum etwa der Stadtreinigung, die ja „dafür bezahlt“ werde, sei eine überaus verbreitete, bequeme Haltung.
Gewiss, das Grünflächenamt gebe sich Mühe. Es sei aber einfach überfordert, jeden noch so entlegenen Winkel rein zu halten. Für Kann-Klara ist an solchen Stellen gesellschaftliches Engagement gefragt: „Nicht auf die Exekutive warten – die Leute müssen machen!“
Dr. Winfried Dolderer für Adlershof Journal