Design muss sein
Adlershofer Unternehmen vollbringen Spagat zwischen Form und Funktion
Gelungenem Industriedesign gelingt der Spagat zwischen feiner Form und fabelhafter Funktion. Was gut gestaltet ist, lässt sich gut bedienen und wird gern genutzt. Das gelingt nicht jedem. Die Technik guter Gestaltung beherrschen einige Firmen auf dem Campus, wie zwei Beispiele zeigen.
Berliner BVG-Benutzer kommen mit Stil zum Ziel – wenn sie in eine neue Flexity-Straßenbahn von Bombardier Transportation steigen. Das Design ist mehrfach ausgezeichnet worden, unter anderem mit dem „iF product design award“. Die schnittige Niederflurbahn wurde von IFS Design gezeichnet – vom Interieur über den Fahrerplatz bis zur unverkennbaren äußeren Form. Das Team um Jochen Dittrich war bei dieser Aufgabe in ihrem Element. Die Adlershofer Firma ist auf das Design von Schienenfahrzeugen und auf Gestaltungskonzepte rund um den öffentlichen Personennahverkehr fokussiert. Für die chinesische Stadt Shenyang wurde kürzlich eine komplett neue Straßenbahngeneration entwickelt, eine für Taiwan ist in Arbeit. Aber auch E-Busse, Pferdeanhänger, Fahrzeuginnenausstattungen bis hin zum Dekor der Sitze, Hausboote und Küchenmodule werden von den Adlershofern gestaltet.
Design – ein komplexer Prozess
Alles das ist kniffliger, als man gemeinhin denkt. Kreativität ist nur ein, wenn auch wesentlicher Teil der Arbeit. „Neben den gestalterischen Anforderungen sind es vor allen Analyse, technische Konzeption und die Abstimmung mit Engineering-Partnern und Endkunden, die die Arbeit bestimmen“, erklärt der ausgebildete Industriedesigner Dittrich. Hinzu kommt, dass Entwürfe heute vorab so naturgetreu wie irgend möglich mit 3D-Daten beschrieben werden müssen und Kunden oft noch ein maßstabgetreues Modell
wünschen. Design ist schön, macht aber auch Arbeit. „Das ist ein komplexer Prozess, der oft unterschätzt wird“, sagt der IFS-Chef. Also nichts für reine Künstler, eher für gut ausgebildete Industriedesigner mit einer Ader fürs Konstruktive, also für Menschen wie Dittrich, dessen Karriere im Waggonbau begann. Sofern ist sein geheimer Wunsch nur zu verständlich: Mal ein Design ohne jegliche Einschränkungen der Fahrzeughersteller nur aus Nutzersicht entwerfen, gern auch ein Auto.
Design als Qualitätsfaktor
Dass gutes Design nicht hübscher Zierrat ist, begreift, wer zu einem Radiometer von sglux SolGel Technologies, einem Hersteller von UV-Messtechnik, greift. Normalerweise sind das Geräte, deren Technik nur notdürftig verkleidet wird. Bei sglux hingegen liegt das Messgerät fast so angenehm wie ein Smartphone in der Hand, Touchscreen und Bedienelemente sind nicht nur optisch ansprechend, sondern auch intuitiv zu bedienen. Denn sglux-Chef Tilman Weiss weiß gute Gestaltung zu schätzen und ist überzeugt: „Design holt die Schönheit aus den Museen und führt sie in unseren Alltag – das ist wichtig.“ Wichtig, weil es keine Kunst der Kunst wegen ist: „Unsere UV-Messinstrumente werden im sicherheitsrelevanten Bereich eingesetzt, in Arztpraxen, Kliniken, der Lebensmitteltechnologie und zur Überwachung von Produktionsprozessen“, erklärt Weiss. Zentrale Aufgabe des Radiometers sei, den Messwert dem Nutzer ideal zu präsentieren, er muss vor Ort verstanden werden. „Ein schön gestaltetes Gerät mit durchdachten Anzeigefunktionen, die gerne betrachtet werden, verbessert die Mensch-Maschine-Interaktion und führt so zu weniger Interpretationsfehlern“, sagt Weiss.
Auch bei der technischen Dokumentation sei Design ein wichtiger Qualitätsfaktor: „Ein ansprechend gestaltetes Datenblatt wird besser verstanden, vermindert Bedienfehler und unnötige Rückfragen.“ Dabei hält es der sglux-Chef nicht unbedingt mit der Devise, dass die Form der Funktion folgen muss. Er formuliert lieber: Form inspires Function. „Diesen Leitsatz versuchen wir bei unserem aktuellen Bauprojekt in der Richard-Willstätter-Straße 8 mit Leben zu füllen“, berichtet Weiss. Die Architektur des neuen Firmengebäudes soll „die Nutzer des Gebäudes zu freiem Denken und freien Bewegungen inspirieren, und damit die Bereitschaft zu ständiger Verbesserung der Produkte zusätzlich stimulieren“.
Von Chris Löwer für Adlershof Journal