Die Asbest-Scouts: Schädlichen Fasern auf der Spur
Das Adlershofer Labor für Mikroanalytik (LFM) untersucht Baumaterialien auf Schadstoffe in niedriger Konzentration
Vor einem Jahr wurde das Labor für Mikroanalytik (LFM) in Adlershof gegründet. Die Beschäftigten dort sind vor allem Asbest und schädlichen Mineralfasern auf der Spur. Ihre Dienste werden stark nachgefragt. Denn während die Sanierung der klassischen Asbestprodukte wie Platten oder Dichtstoffe bald abgeschlossen ist, tauchen immer häufiger Asbestfunde in besonders niedriger Konzentration in Fliesen, Klebern, Dachpappen oder Steinholzfußböden auf.
Es sind also die versteckten kleinen Produkte, denen es jetzt an den Kragen geht. Holger Fitzke ist Geschäftsführer des LFM und hatte die zündende Idee, als er passende Geschäftspartner auf dem Adlershofer Campus traf.
„Man hat Schadstoffe in niedriger Konzentration in Baustoffen lange verdrängt“, erklärt er, „zum Beispiel in Spachtelmasse zwischen Gipsplatten, Fußbodenfliesen aus PVC oder in Dachpappen.“ Doch diese Schadstoffe sind krebserzeugend. Eine große Berliner Wohnungsbaugesellschaft steht dann auch bei Fitzke und seinem Team unter Vertrag. Immer, wenn eine Wohnung frei wird, laufen Untersuchungen, dann wird – wenn erforderlich – saniert. Und nur, wenn bei der anschließenden Überprüfung der Raumluft keine Asbestfasern mehr messbar sind, kann der nächste Mieter einziehen.
Fitzke, der Werkstofftechnik in Merseburg studiert hat und im Büro für Umweltplanung arbeitet, hat ein wertvolles Rasterelektronenmikroskop (REM) in seinem physikalischen Labor. Damit suchen seine Mitarbeiter nach deutlich unter ein Prozent Asbest. Ein Großteil der alten Dachpappen weisen noch solche Rückstände auf.
Die Probe wird im REM in ein Vakuum gebracht, ehe Elektronenstrahlen auf das Objekt treffen. Dadurch werden auch noch so verborgene Fasern bis zu 100.000-fach vergrößert und sofort im Computer mit Spezialsoftware vermessen und analysiert. Auch auf krebserregende Mineralfasern kann so untersucht werden.
„Mein Spezialgebiet sind Gebäude“, betont Holger Fitzke. „Von unseren Gutachten hängt viel ab. Ein Streit vor Gericht, die Entsorgung, Sanierungsplanung oder die Freigabemessungen von potenziell belasteter Raumluft.“ Gegenwärtig ist das Team vom LFM wieder in Berliner Schulen und Rathäusern unterwegs. Hier stecken Asbest oder Mineralfasern häufig in Akkustikdecken. Dabei müssen Fitzke und seine Mitarbeiter manchmal recht schnell vor Ort sein. Denn besorgte Eltern schicken ihre Kinder bei einem Verdacht nicht mehr in die Schule und Lehrkräfte bleiben schon mal wochenlang zu Hause, bis ein Gutachten da ist. Dieses geht überwiegend sofort elektronisch an den Kunden. „Seit Februar sind wir nun endgültig ein akkreditiertes Labor“, sagt Fitzke, „denn: Eine Vergleichbarkeit ist wichtig, es können im Zweifelsfall Gesundheit, Leben und Tod oder auch hohe Kosten daran hängen.“
Der Geschäftsführer lobt die hervorragenden Arbeitsbedingungen, die er auf dem Campus vorgefunden hat. Abzüge, Spezialschränke, Elektrik – alles war schon da. Es hat perfekt gepasst für ein physikalisches Labor. Bei der Analyse von alten (gefährlichen) und neuen Mineralwollen ist das LFM bereits führend. Die Wissenschaftler können aufgrund ihrer Technik und Erfahrung alte krebserzeugende von neuer unbedenklicher Mineralwolle unterscheiden.
Neben Gebäuden können auch Straßenbeläge und viele andere Dinge überprüft werden. Sogar bei einem ‚Zentralen Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM)‘-Forschungsprojekt ist das LFM jetzt Partner. Auf dem Adlershofer Jahrestreffen lernte Holger Fitzke die Forscher vom Institut für angewandte Photonik (IAP) kennen. Diese entwickeln gerade einen WDSX-Detektor, der die Analytik in Zukunft noch genauer und schneller machen kann. Das LFM gibt Vergleichsproben und Daten mit in das Projekt. Zusammen mit der RWTH Aachen und der Firma Nano Optics Berlin werden anschließend Rechenmodelle für Anwenderdaten entworfen. Damit erhoffen sich die Analytiker später zum Beispiel eine bessere Untersuchbarkeit von Glas. Glas hat nämlich das Element Bor in sich. Und dieses ist so leicht, dass es momentan schlecht mit dem REM zu analysieren ist.
Fakt ist, dass das Thema Gesundheit zudem bei allen verwendeten Baumaterialien immer wichtiger wird. Auch private Hausbesitzer reichen Proben beim LFM ein. Manchmal kommen aber auch Denkmalschützer und geben Farben ab. Hier geht es dann nicht um die Schädlichkeit, sondern um das Spektrum. Im Rasterelektronenmikroskop sieht man eben ganz genau, ob die Farbe auf Kupfer oder anderen Stoffen beruht.
Von Katrin Reisinger für Adlershof Journal