Die gehen ans Herz
Die deutsch-amerikanische Geschichte der Unternehmerfamilie Osypka
Der Eingang zum schicken Adlershofer Firmensitz von Osypka Medical führt nicht nur in ein weltweit erfolgreiches Unternehmen. Wer hier eintritt, taucht auch in die deutsch-amerikanische Geschichte der Unternehmerfamilie Osypka ein, in der menschliche Herzen eine zentrale Rolle spielen.
Es ist 1963, als Peter Osypka seinen Traum wahr macht. Zusammen mit seiner Frau und dem gerade drei Monate alten Sohn Markus bricht er seine Zelte in Deutschland ab und emigriert in die USA. Diesmal ist es keine Flucht. Einige Jahre zuvor war er aus der DDR geflohen, weil ihm als bekennenden Katholiken der Weg an die Universität verbaut wurde. Nun bricht er auf, um zu lernen. Zwar hat er gerade in Braunschweig promoviert. Doch der Elektrotechnikingenieur hat sich ein Fachgebiet ausgesucht, das in den Staaten schon viel weiter ist: Medizintechnik. Ihn reizen die elektrischen Ströme des menschlichen Herzens – und Methoden, um erkrankte Herzen elektrisch zu stimulieren.
Ein halbes Jahrhundert später ist der damalige Säugling Markus ein promovierter Ingenieur der Elektrotechnik und Geschäftsführer der Osypka Medical GmbH in Berlin Adlershof und der Osypka Medical Inc. in San Diego. Sein Unternehmen entwickelt und fertigt externe Herzschrittmacher und innovative Systeme, die den menschlichen Blutkreislauf exakt vermessen. Diese erlauben es Medizinern ohne Eingriff in den Körper, Druck, Fließgeschwindigkeit, Blutvolumen pro Herzschlag und ein halbes Dutzend weiterer Parameter am Monitor zu verfolgen. Hightech, mit 2.500 Messwerten pro Sekunde, die eine Software in einfach ablesbare Zahlen und Diagramme übersetzt.
Markus Osypka hat zwei Schwestern und einen Bruder. Auch sie sind beruflich in die Fußstapfen des Vaters getreten. Doch der Reihe nach. Der junge Peter Osypka fand in den USA, was er suchte. Bei Professor Earl Wood lernte er als Post-Doc alles über menschliche Blutzirkulation und Möglichkeiten, sie technisch zu stimulieren. Er hatte eine Stelle und konnte seine inzwischen vierköpfige Familie über die Runden bringen. Doch seine Frau hatte Heimweh. Osypka wägt ab und willigt in die Rückkehr ein.
Wieder zuhause heuert er beim Hoffmann-La-Roche-Konzern an. Dort soll er eine Abteilung Medizintechnik aufbauen. Doch nach vier Jahren zieht der Konzern den Stecker. Es ist der Startschuss für Osypkas Unternehmerleben. Er baut mit seinem Know-how in den 1970er Jahren ein internationales Unternehmen auf und gründet 1982 zusätzlich die OSCOR Medical Corp. in Florida. Ab 1984 unterhält er zudem eine Entwicklungsabteilung in Berlin. Bald hat er hunderte Mitarbeiter und ist in aller Welt aktiv.
Grundstein für den Erfolg ist eine Herzschrittmacher-Elektrode, die nicht mehr brechen kann. Er erwirkt keinen Patentschutz. Das Geld verdienen andere. Der rastlose Erfinder lernt daraus. Heute hat er über 300 Patente. Zudem lernt er, dass er mit seinen Innovationen richtig liegt. Er gewinnt Kunden in aller Welt.
„Unser Vater war für uns sicher ein Vorbild“, sagt Markus Osypka. Wie seine drei Geschwister muss er als Kind jeden Samstag in der Firma anpacken. Als Teenager begleitet er den Vater auf internationale Messen. Managt bald Produkte. Reist für die Firma nach Spanien, Frankreich, in die Türkei – und immer wieder in die USA, wo er heute die meiste Zeit lebt. Bruder Thomas führt dort mit OSCOR ein noch viel größeres Unternehmen. Schwester Nicola, die als einzige Biologie statt einer Ingenieurwissenschaft studiert hat, steht heute an der Spitze der Osypka AG.
Die Geschwister sind ins Unternehmertum hineingewachsen. „Unser Vater hat es uns vorgemacht, dass jedes Problem Chancen birgt und dass es wichtig ist, vor Ort beim Kunden Probleme zu lösen“, sagt Markus. Und er hat vorgelebt, dass es Sinn macht, die Beziehungen zu Mitarbeitern und Vertriebspartnern zu pflegen. Genau aus diesem Grund ist Markus Osypka nun wieder in Adlershof. Er bereitet das jährliche Meeting von Marketing, Engineering und weltweitem Vertrieb vor. „Wir brauchen diesen Austausch, um voneinander zu lernen, was unsere Kunden in unterschiedlichen Regionen wünschen, was unsere Ingenieure davon umsetzen können und an welchen Innovationen wir gerade arbeiten“, sagt er.
Mindestens genauso wichtig sei es für eine international verteilte Organisation, regelmäßig zusammenzukommen und ein Gefühl von Zuhause zu entwickeln. Markus Osypka muss es wissen. Sein Zuhause war von Anfang an ein international operierendes Familienunternehmen.
Von Peter Trechow für Adlershof Special