Eine Kiste voller Erinnerungen
Sabine Berger war Trickanimatorin beim DDR-Fernsehen. Eine Ausstellung im Theater Ost erinnert an den Sendestart
„Guten Abend, verehrte Fernsehfreunde“, mit diesen unspektakulären Worten ging das deutsche Fernsehen in der ehemaligen sowjetischen Besatzungszone mit Moderatorin Margit Schaumäker am 21. Dezember 1952 um Punkt 20:00 Uhr, drei Tage vor dem Westfernsehen, in den zweistündigen Sendebetrieb. Etwa 70 Ost-Fernsehgeräte waren empfangsbereit, allesamt in Berlin. Die Schautafel-Ausstellung „Auf Sendung! – Das erste deutsche Fernsehen in Berlin-Adlershof“ im Theater Ost erzählt vom Sendebeginn vor 70 Jahren.
Kuratiert und gestaltet haben die Ausstellung Claudia Opitz und Sebastian Köpcke. Die Informationstafeln im Vorraum des Theatersaals widmen sich den ersten Schritten des Fernsehens. Auch Hanna Janowitz-Christian, 1952 die erste Kamerafrau der Welt, wird auf einer Tafel geehrt. Bis zuletzt trug sie die offizielle Berufsbezeichnung „Kameramann“.
1954 wurde das Kinderfernsehen geboren. Fünf Jahre später entwarf Gerhard Behrendt „Unser Sandmännchen“, das fortan um 18:50 Uhr den Kindern eine gute Nacht wünschte. Sabine Berger, ehemals Trickanimatorin beim DDR-Fernsehen, verwaltet mit Winfried Kujas, einst Produktionsleiter des Kinderfernsehens, das Sandmännchen-Archiv in der Ernst-Augustin-Straße. Mehr als 600 originale Puppen, circa 300 Fahrzeuge und andere Requisiten sind liebevoll in Schachteln verpackt und Vitrinen ausgestellt und beschriftet. Gerne erzählt Berger von ihrer Zeit beim Trickfilm.
Nach einem Modedesignstudium bewarb sich Berger 1978 in Mahlsdorf beim Trickfilmstudio des DDR-Fernsehens. Zunächst bearbeitete sie als Grafikerin im Dokumentarfilm alte Fotos. Sie träumte davon, im Studio selbst animieren zu dürfen. Ein Jahr später erfüllte sich ihr Traum. „Ein Kollege erklärte mir, dass 25 Bilder eine Sekunde im Animationsfilm bilden. Also habe ich’s ausprobiert und auf Transparentpapier die Bewegung eines Händedrucks gemalt, der dann tatsächlich aufgenommen wurde. Das war mein erster Schritt in die Animation.“ Sie schätzte die Atmosphäre dort sehr. „In den Leuten steckten immer noch kleine Kinder. Sie waren genau wie ich. Das passte einfach.“
Sabine Berger lernte verschiedene Animationstechniken kennen. Im Flachtrick etwa legte die Animatorin das gezeichnete Motiv auf eine beleuchtete Glasscheibe, damit es abgefilmt werden konnte. Oft benutzte Berger eine Pinzette, weil die zu animierende Figur kleinstteilig zusammengesetzt war. So animierte sie zum Beispiel eine acht Zentimeter große Maus, die aus 16 Teilen bestand. Ihre animierbaren Pupillen maßen 1 x 2 Millimeter.
1986, nach ihrem Animationsstudium an der Filmhochschule Potsdam, das parallel zu ihrer Arbeit verlief, war Berger freiberuflich im Puppentrick tätig. Bei dieser Technik wurden die Puppen mit Nadeln auf einer Arbeitsplatte festgepinnt, Filmschnitt und Kameraführung standen bis ins kleinste Detail schon fest. „Wir hatten eine 35-Milimeter-Spezialkamera, die jedes Bild einzeln belichtete. Eigentlich war jedes Bild ein Foto“, erläutert Berger die Stopmotion-Technik. Die Kamera lag auf einer Art Schlitten, der auf einer Schiene fuhr. Dann kurbelte der Kameramann, um die Kamera mit dem Schlitten zu bewegen. Einmal, erinnert sich Berger, kurbelte er plötzlich in die falsche Richtung. „Das war für die Produktion ‚Paul und Stine‘. Weil wir keine Zeit hatten, nochmal ganz von vorn anzufangen, musste ich die Puppen genau dahinpieken, wo sie vor 50 Bildern waren. Das war tricky, aber es hat funktioniert.“ Später steuerte Berger selbst die Kamera per Computer mithilfe einer „Motion Control“.
Noch heute sind das Sandmännchen und seine Freunde Pittiplatsch, Herr Fuchs und Frau Elster, Moppi und Schnatterinchen Kult. Sabine Bergers Lieblingsfigur ist der aufmüpfige Wasserkobold Plumps. „Da habe ich mich ausgetobt. Ich war ein ganz schüchterner Mensch und Plumps durfte alles. Das war toll.“ Berger kreierte auch eigene Figuren, den Zauberer Pondorondo zum Beispiel. Er hat grüne Haare, trägt einen gelben Schaumgummimantel und watschelt mit seinem dicken Hintern ein bisschen wie eine Ente. Wenn er zaubert, dann geht meistens alles schief.
Als Sabine Berger 2018 anlässlich der Übernahme des Sandmännchen-Archivs vom rbb gefragt wurde, ob sie mithelfen wolle, war sie Feuer und Flamme. „Für mich ist das eine Ehre, dass ich das nochmal machen kann. Ich habe so viel mit all den Figuren erlebt.“
Susanne Gietl für Adlershof Journal
- Interviews zur Ausstellung »Auf Sendung! – Das erste deutsche Fernsehen in Berlin-Adlershof«
YouTube-Videoreihe mit Sabine Berger, Klaus Feldmann, Claudia Opitz u.v.m.