Energie ernten
Ein von Adlershofer Informatikern koordiniertes Netzwerk arbeitet daran, Umgebungsenergie anzuzapfen, damit Sensoren, Funkmodule und Computerprozessoren ohne fremde Stromversorgung komplexe Aufgaben im Gesundheitswesen, der Gebäudetechnik oder Logistik übernehmen können.
Wir sind von Energie umgeben – wir müssen sie nur anzapfen. Sonnenstrahlung, Schwingungen, Wärme, sogar wenn wir einen Schalter drücken wenden wir dafür Energie auf, die genügt, um damit ein Funksignal zu übertragen. Stromkabel und Batterien könnten bald für Sensornetzwerke, Schalter oder Überwachungssysteme überflüssig werden. Eine nicht allzu ferne Vision, die Professor Alfred Iwainsky, Vorstandsvorsitzender der Gesellschaft zur Förderung angewandter Informatik (GFaI), fasziniert. Er leitet das Netzwerk MoniSzen. In MoniSzen arbeiten drei Dutzend Akteure daran, komplexe Monitoring-Aufgaben durch verteilte, mobile Sensoren, Funkmodule und Prozessoren energieautark zu bewältigen. Fachleute sprechen dabei von „Ambient Energy für Ambient Intelligence“. Mit von der Partie sind unter anderem die Adlershofer Firmen IQ wireless, die FEAD GmbH, die Gesellschaft zur Förderung der naturwissenschaftlich- technischen Forschung und das Institut für Informatik der Humboldt-Universität zu Berlin.
„Das Thema ist ein Megatrend“, sagt Iwainsky. Allerdings ist das längst nicht jedem bewusst, weswegen das Netzwerk Workshops veranstaltet und auf Messen wie der „Pflege+Homecare Leipzig“ vertreten ist. „Denn gerade um hilfsbedürftigen Menschen ein besseres und mobileres Leben zu ermöglichen, bietet die Technik gute Möglichkeiten“, erklärt Iwainsky. So arbeitet das Netzwerk auch an einer energieautarken Wiegematte. Wie ein Badteppich liegt die schlaue Matte auf dem Boden und übermittelt, so wie man sie betritt, per Funk Daten an die Mediziner, die aus der Gewichtskontrolle wichtige Hinweise erhalten, wie es um einen Patienten bestellt ist. Knifflig dabei ist, aus den Rohdaten des Drucks, der auf die Matte ausgeübt wird, das exakte Gewicht zu berechnen – eine klassische Aufgabe für Informatiker. Das Teilprojekt fällt in den immer wichtiger werdenden Bereich des „Ambient Assisted Living“, wodurch Pflegebedürftige und Kranke länger in ihrer vertrauten Umgebung zuhause leben können. Das Netzwerk forciert dafür den Einsatz kabel- und batterieloser Schalter, Fenster- und Türkontakt-Sensoren. Iwainsky: „Gerade im Pflege- und Homecare-Bereich ist es interessant, wenn man Schalter beliebig im Raum, etwa an Sitzmöbeln, Betten und Schränken, mit Klebeband befestigen kann.“
Davon könnten auch Forscher des Fraunhofer-Instituts für Rechnerarchitektur und Softwaretechnik FIRST profitieren, die im Projekt „SmartSenior“ an altersgerechten Assistenzsystemen arbeiten. „Aber auch in der Logistik, der Gebäudetechnik und -überwachung wird das Thema künftig eine große Rolle spielen“, erklärt MoniSzen-Netzwerkpartner Dr. Anko Börner vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Etwa wenn Sensornetzwerke Brücken auf drohende Schäden oder Gebäudefundamente auf Feuchteschäden überwachen. In der Logistik könnten aktive RFID-Tags an Containern ihre Energie aus den Vibrationen, die bei ihrem Transport entstehen, gewinnen. Als RFID wird die automatische Identifizierung und Lokalisierung von Gegenständen und Lebewesen mittels elektromagnetischer Wellen bezeichnet. Denkbar ist aber vieles mehr. Iwainsky: „Noch ist die Nutzung von Umgebungsenergie ein Betätigungsfeld für Pioniere und wenig bekannt.“ Doch das wird das Netzwerk ändern.
von Chris Löwer
Link: www.gfai.de