Ersthelfer:innen der etwas anderen Art
Mit dem Mental Health Lab will das Helmholtz-Zentrum Berlin die mentale Gesundheit seiner Mitarbeitenden unterstützen
Wenn schon der Gedanke an die Arbeit einen kalten Schauer über den Rücken jagt, das Engagement am Boden liegt und auch das allgemeine Wohlbefinden leidet, dann sollten die Alarmglocken läuten. Setzen erst Burn-out, Depressionen oder Angstzustände ein, ist eine Behandlung nötig und die Beschäftigten fallen oft länger aus. Doch was kann eine Forschungseinrichtung tun, um ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter davor zu bewahren? Das wollte das Helmholtz-Zentrum Berlin (HZB) im Rahmen seines Diversity Audits herausfinden und gründete Anfang 2022 das Mental Health Lab. „Wir waren zehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus verschiedenen Bereichen des HZB, die dem Thema zugetan waren“, erzählt der Projektmanager Markus Sauerborn. „Unsere Hauptaufgabe war, ein Konzept zu erarbeiten, wie das Thema mentale Gesundheit im Zentrum eingebunden und etabliert werden kann.“
Dass das Thema brennt, ahnten die Beteiligten schon länger. Eine Umfrage unter den Angestellten zeigte dann das ganze Ausmaß. In über 40 Prozent der Antworten war von starker mentaler Belastung die Rede. „Das hat uns schon etwas erschreckt“, sagt Markus Sauerborn. Natürlich weiß er, dass die Arbeitssituation im wissenschaftlichen Umfeld herausfordernd ist. Im Studium und während der Doktorarbeit werde eine hohe Frustrationstoleranz entwickelt; die Forschungsstellen seien später oft befristet und dazu kämen die Folgen der Pandemie. Durchbeißen ist die Devise. „Die meisten Leute lassen das gar nicht an sich ran“, erzählt er. „Sie schütteln sich, nehmen vielleicht eine Woche Urlaub und machen einfach wieder weiter.“ Das kann eine ganze Zeit funktionieren. Doch irgendwann kommt vielleicht der Punkt, an dem es sich bei einigen in Angstzuständen oder depressiven Phasen manifestiert. „Dann führt kein Weg an therapeutischer Behandlung vorbei“, sagt Sauerborn. „Das können wir nicht liefern. Wichtig ist vielmehr, dass wir vorbeugen und den Kolleginnen und Kollegen aufmerksam begegnen. Sie sollten wissen, dass wir ansprechbar sind, wenn es ihnen nicht gut geht.“
Für diesen Zweck haben er und seine Mitstreiter:innen im Rahmen des Mental Health Labs ein Konzept erarbeitet. Das wurde im Oktober letzten Jahres von der Geschäftsführung für gut befunden – und nun umgesetzt. Vier mentale Ersthelfer:innen stehen jetzt als Ansprechpersonen zur Verfügung. Wie ihre klassischen Pendants haben auch sie eine Grundausbildung erhalten. „Da werden die wesentlichen psychischen Krisen aufgezeigt, wie Substanzmissbrauch, Depressionen oder Angstzustände“, fasst er zusammen. „Wir haben gelernt, solche Dinge zu erkennen: durch Fragen; durch Zuhören. Und darauf zu reagieren.“ Sauerborn nutzt gern einen Vergleich, um seine Einsatzmöglichkeiten zu beschreiben. „Wenn sich jemand das Bein aufgeschnitten hat, kann ich als Ersthelfer die Blutung stillen. Aber dann rufe ich umgehend die 112“, sagt er. „Das ist bei mentaler Gesundheit ähnlich. Ich kann den Betroffenen erst einmal beistehen. Dann muss ich professionelle Hilfe rufen. Denn wir sind keine Therapeut:innen.“
Den Job machen er und die anderen drei Ersthelfer:innen übrigens freiwillig und neben ihren eigentlichen Aufgaben. Im „Hauptberuf“ betreut Markus Sauerborn zum Beispiel solche Projekte wie den geplanten Teilchenbeschleuniger BESSY III. „Wenn wir angesprochen werden, hat das fast immer Priorität“, sagt er. „Ist die krisenhafte Situation noch nicht so groß, können Termine vereinbart werden. Befindet sich die Person aber in einer akuten Krise, werden wir sofort aktiv.“ Solch drastische Krisensituationen sind am HZB noch nicht vorgekommen. Darüber ist er froh. Denn abgesehen vom Leid für die Betroffenen würde das auch die freiwilligen Helfer:innen extrem belasten. Und deren Engagement und Elan ist für die mentale Gesundheit aller von großer Bedeutung.
Kai Dürfeld für Adlershof Journal