Es geht voran: Mehr Baukräne als je zuvor in Adlershof
Auch wenn sich die Anzeichen für eine Konjunkturerholung mehren – nach gut einem Jahr ist die Finanz- und Wirtschaftskrise noch nicht ausgestanden. Wie sind Lage und Stimmung im Wissenschafts- und Technologiepark Adlershof? Was wird das neue Jahr bringen?
Das nennt man antizyklisches Denken. Während landauf, landab Unternehmen Neubau- und Expansionsvorhaben auf Eis legen, dreht Raphael Nagel auf. Er ist Geschäftsführer der spanischen Immobilienholding AD Areal Developers GmbH und baut auf eine erfolgreiche Zukunft in Adlershof. Der Projektentwickler wird ein altes Gebäude der Deutschen Versuchsanstalt für Luftfahrt (DVL) aus den 1930er-Jahren in einen Ort der Innovation verwandeln.
„Science Base“ geplant
Auf einer Gesamtfläche von 11.500 Quadratmetern der „Science Base“, wie das restrukturierte Gebäude heißen wird, soll genügend Raum für Wissenschaftler mit visionären Ideen entstehen. Vor allem für Vordenker der Elektrochemie sowie der Nano- und Biotechnologie. „Wir stehen bereits mit etlichen Interessenten in Kontakt“, berichtet Nagel. Besonders junge Unternehmen aus der Elektrochemie hält er für zukunftsträchtig, da sie mit innovativer Batterie- Technologie die Basis für künftige Elektromobilität legen.
Das Konzept der Areal Developers passt in die Zeit: „Wir werden keine Super-Luxus- Sanierung hinlegen, sondern bezahlbaren, flexibel nutzbaren Raum schaffen“, verspricht Nagel. Die Büro- und Produktionsflächen in der Größe zwischen 500 und 5.000 Quadratmetern sollen für moderate vier bis sieben Euro pro Quadratmeter zu haben sein. Nagel: „Damit bieten wir Raum für Start-ups mit guten Ideen.“ Umgekehrt sieht er in dem Projekt für seine Gesellschaft eine sichere Investition in unsicheren Zeiten: „Nach langen Recherchen kamen wir zu diesem Ergebnis. Wir halten Adlershof für den erfolgversprechendsten Gewerbeimmobilienstandort hierzulande.“
Die Umbauarbeiten an dem Klinkergebäude werden nach derzeitiger Planung im Mai beginnen. Insgesamt werden fünf Millionen Euro investiert. Dass die Krise Nagels Plan verhageln könnte, davon geht er nicht aus.
Ungeachtet der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen: In Adlershof drehen sich zurzeit so viele Baukräne wie schon seit Jahren nicht mehr. Fast fertig ist der Neubau des Analytischen Zentrums Berlin-Adlershof, kurz: AZBA. Die Räume des Geschäftsführer- und nun auch Bauherren-Ehepaars Elena und Andrés Jirón waren den wachsenden Aufträgen rund um die Schadstoff-, Altlast- und Produktanalyse nicht mehr gewachsen. Der 3,2 Millionen Euro teure Neubau in Gestalt eines Moleküls mit 1.800 Quadratmetern Nutzfläche ist schon fast fertig und wird im Frühjahr bezogen werden. Das wird auch höchste Zeit. „In unseren Räumen ist es eng geworden, denn wir haben in den vergangenen beiden Jahren sieben Mitarbeiter zusätzlich eingestellt“, berichtet Andrés Jirón. Jetzt zählt AZBA 22, wobei in diesem Jahr nochmals neue Kollegen hinzukommen könnten.
Auch der dreigeschossige Neubau der Sentech Instruments GmbH wurde im letzten Jahr fertiggestellt. Und die Gesellschaft zur Förderung angewandter Informatik (GFaI) hat im letzten Sommer exakt 120 Tage nach der Grundsteinlegung Richtfest gefeiert. Im Frühjahr 2010 wird der Bau dann bezugsfertig sein.
„Wir bauen gegen die Krise an“
Der Standortbetreiber WISTA-MANAGEMENT selbst investiert rund 50 Millionen Euro in neue Gebäude, darunter das Zentrum für Mikrosysteme und Materialien (ZMM), eine Erweiterung des Zentrums für IT und Medien sowie das Zentrum für Photovoltaik (ZPV). „Wir bauen gegen die Krise an“, sagt Peer Ambreé, Bereichsleiter Technologiezentren. Jetzt sei die beste Zeit, um neue Kapazitäten zu schaffen, denn mit über 90 Prozent sind unsere Technologiezentren nahezu ausgebucht.“
Krise sieht anders aus. Ersten vorsichtigen Schätzungen zufolge rechnet zwar ein Drittel der Unternehmen mit starken, dafür ein Viertel mit keinen Krisenauswirkungen für 2010, weiß WISTA-Sprecher Peter Strunk zu berichten. „Krisenauswirkungen müssen aber keinesfalls mit Umsatzeinbrüchen gleichbedeutend sein“, so Strunk, „denn kleine Technologieunternehmen sind flexibel genug und suchen sich neue Geschäftsfelder.“ Es gebe auch Unternehmen, die ungeachtet der wirtschaftlichen Situation wachsen, weil sie Lösungen für krisengeplagte Kunden liefern. Manch eine Hightech-Firma habe gar den Umsatz 2009 verdoppelt.
Dennoch zeigt auch in Adlershof die Krise negative Auswirkungen: „Wir haben einige Gespräche aus dem vergangenen Jahr rund um Neubauvorhaben nicht fortgesetzt, was nicht heißt, dass das so bleiben wird“, ist Ambrée zuversichtlich. Wie stabil das Fundament des Standortes ist, zeigt sich auch darin, dass Ambrée keine signifikanten Mietausfälle verzeichnet. „Das Modell Adlershof erweist sich in Krisenzeiten erstaunlich solide“, resümiert Strunk. Die Unsicherheit, wie sie noch vor einem Jahr herrschte, ist gewichen. „Es wäre jedoch sehr kühn, jetzt eine langfristige Prognose zu wagen“, bemerkt er, „auch wir fahren wie die ganze Wirtschaft‚ auf Sicht’“.
Chris Löwer
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