Fließrichtungen der Wissenschaftskommunikation
Ein Berliner Forschungsprojekt nutzt transdisziplinäre Formate, um mit Menschen in der Region ins Gespräch zu kommen
„Es wird mancherorts zu viel, anderenorts zu wenig und insgesamt zu verschmutztes Wasser geben.“ In der Einstein Research Unit Climate and Water under Change (CliWac) gehen Forschende aus unterschiedlichen Disziplinen drei Jahre lang der Frage nach, wie der Klimawandel das Wasser in der Region beeinflusst. Eingebettet in CliWac ist das Projekt AnthropoScenes, das mit Kunstschaffenden zusammenarbeitet, um mit Stakeholdergruppen ins Gespräch zu kommen und deren Perspektiven in Forschung einfließen zu lassen.
„Mit AnthropoScenes hat die Berlin University Alliance uns eine wirklich tolle Chance gegeben“, sagt Pauline Münch. Die studierte Psychologin leitet die Wissenschaftskommunikation im Projekt AnthropoScenes, das 2022 an den Start ging. „Das Ziel war und ist, von traditionellen, einseitigen Formaten der Wissenschaftskommunikation wegzukommen.“ Gemeint sind Formate wie dieses hier, bei denen Sie sich als Leserin oder Leser nicht unmittelbar am Gespräch beteiligen können. „Wir wollten stattdessen einen multidirektionalen Austausch schaffen, und um das hinzubekommen, mussten wir viel experimentieren – herausfinden, was es dazu braucht, welche Formate funktionieren, welche Kontexte wichtig sind und welche Personen wir involvieren müssen.“
Ausprobiert haben Münch und ihr Team in den vergangenen zweieinhalb Jahren wirklich vieles. Bei „Walkshops“ ließen sie so etwa Interessierte mit Forschenden an Panke und Spree entlangspazieren. In einer Shopping Mall zeigten sie Einkaufenden Kurzperformances, ließen diese ihre Gedanken in einer Speakers Corner teilen. Mit dem inklusiven RambaZamba-Theater besuchte das Team Wasserorte in der Region, woraus dann ein Theaterstück entstand – eine „wilde Mischung aus Science Fiction, Mythologie und Aliens, bei der es die ganze Zeit um Wasser ging“. Ein weiteres Highlight: Gemeinsam mit dem Künstler Maximilian Grünewald organisierte AnthropoScenes ein Festival im Spreewald. „Der Spreewald war dabei zugleich Ort der wissenschaftlichen Recherche als auch Ort der künstlerischen Forschung: Inspiriert von Wasser, Land und Menschen, kreierten Künstler:innen Stücke, Installationen, Designs, Performances, Fotografien, Diskussionsrunden.“
Diese neuartigen Formate machen nicht nur Spaß und helfen dem AnthropoScenes-Team, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen und außerwissenschaftliche Perspektiven einzubinden. Sie seien auch ein Mittel, um abstrakte Gedanken greifbar zu machen, ganz neue Zugänge zu schaffen, sagt Münch. „Im Projekt ,Zwiegespräch mit der Spree‘ konnten Menschen zum Beispiel Briefe und Sprachnachrichten an die Spree schicken. Bühnenbildner:innen haben hierzu eine Installation geschaffen, die die Spree als eigenständige Akteurin erfahrbar machte.“ Die Gedanken der Installationsbesuchenden fließen aktuell in anthropologische Forschungen ein, geben so Wissenschaft eine neue Richtung.
„Es braucht Anpassungsmaßnahmen, um dem Klimawandel zu begegnen“, resümiert Münch, „und die dürfen nicht isoliert stattfinden, müssen eingebunden sein in die Gesellschaft. Entsprechend sollen die Leute bei uns nicht einfach nur etwas loswerden. Es geht uns um eine echte Beteiligung.“ Wie viel die trans- und interdisziplinären Interventionen des Projektteams am Ende angestoßen haben werden, zeigt sich in den kommenden Jahren. Viele der im Projekt erfassten Daten werden gerade erst ausgewertet. Festhalten lässt sich bereits jetzt: Die innovativen Formate zum Thema Wasser, die im Rahmen des Projekts entstanden sind, stießen auf viel Anklang – auch in Fachkreisen. Beim Falling-Walls-Engage-Wettbewerb, der jedes Jahr die besten Wissenschaftsförderungsprojekte weltweit kürt, gehört AnthropoScenes zu den Finalisten. Das Adlershof Journal drückt die Daumen.
Nora Lessing für Adlershof Journal